Gärtnern als ­Gesundbrunnen

Säen, jäten, giessen, schneiden, pflücken. Oder auch nur ins Grüne schauen und Düfte einatmen: Wieso der Garten als Therapie wirkt.

Von Petra Koci

Das Gärtnern ist für mich wie eine Therapie, ich kann dabei den Kopf freimachen vom Alltag». «Im Garten komme ich auf den Boden, kann mich erden, mich spüren.» – Wer hat nicht schon solche oder ähnliche Aussagen gehört von Menschen, die in den Garten gehen und sich ihrem grünen Reich widmen.  

Das Erleben von Natur und Garten tut uns Menschen gut. Gärten und Pflanzen mit ihren Farben, Düften und Formen wirken positiv auf Körper und Geist. Darauf baut auch die Gartentherapie auf: Bei dieser therapeutischen Methode leiten Fachpersonen pflanzen- und gartenbezogene Aktivitäten und Erlebnisse an, um die vielen positiven Wirkungen der Natur therapeutisch zu nutzen und das psychische und körperliche Wohlbefinden von Menschen zu stärken. Deshalb entstehen immer mehr Therapiegärten etwa in Rehakliniken, Alterszentren, in Wohnheimen, Spitälern und mehr. 

Wieso hat das Gärtnern diese positive Wirkung? «Einerseits bewegt man sich draussen an der frischen Luft, tankt Sonnenlicht. Sonnenlicht hat einen Einfluss auf die Bildung von Vitamin D und das ist unter anderem hilfreich für den Knochenaufbau», sagt Martina Föhn. Sie leitet den Studiengang Gartentherapie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe «Grün und Gesundheit».

Darüber hinaus bietet die Gartenarbeit auch Erfolgserlebnisse: Wer etwas sät, wird es wachsen sehen. Wer ein Beet jätet, wird sich über ein Beet ohne Unkraut freuen. «Man schaut auf das vollbrachte Werk, das gibt einem eine tiefe Befriedigung und stärkt die Selbstkompetenz», so die Expertin.  

Aus verschiedenen Studien weiss man, dass allein das Anschauen von grüner Natur und Pflanzen Stress reduziert und die Regeneration fördert. Das hat mit Ablenkung zu tun, mit Aufmerksamkeit. Dabei unterscheiden Fachleute zwei Arten von Aufmerksamkeit: Die gerichtete Aufmerksamkeit ist gelenkte Aufmerksamkeit, etwa auf das Lernen für eine Prüfung. Das ist eher anstrengend. Die ungerichtete Aufmerksamkeit hingegen geschieht nebenbei. Man geht beispielsweise in den Garten und die Aufmerksamkeit schweift zufällig ab zu Pflanzen und Tieren. «Mit der ungerichteten Aufmerksamkeit wird ein Teil unseres Nervensystems aktiv, das unser Hormonsystem ins Gleichgewicht bringt und etwa das Stresshormon Cortisol sinken lässt», sagt Martina Föhn. 

Die Gartentherapie funktioniert einerseits als passive Variante, wenn man sich also einfach im Garten aufhält. Die aktivere Variante umfasst auch die Gartenarbeit. Dabei steht der Mensch im Vordergrund und nicht die Pflanzen. «Man geht immer individuell vom Menschen und seiner Diagnose aus», erklärt die Studienleiterin Gartentherapie, «und passt die Aktivitäten an». Eine Person mit Aufmerksamkeitsstörung soll sich je nach Bedarf austoben können beim Laubrechen oder aber zur Ruhe kommen beim Jäten. Schmerzpatientinnen mit Arthrose oder Rheuma finden ihre Tätigkeit möglicherweise eher beim Säen, Blumenpflücken oder Tomatengiessen. So bewegen sie sich draussen und werden von ihren Schmerzen abgelenkt. Ältere Menschen mit Demenz wiederum haben meist Freude an Düften. Allein ein Spaziergang durch den Garten mit seinen Blüten und Düften kann Erinnerungen an früher wecken und die Sinne wachhalten.   

Das Schöne am Gärtnern: Es ist nicht der Therapeut oder die Therapeutin allein, die Aktivitäten anleiten. Die Natur und die Pflanzen selbst laden ein: Mit schlaffen Blättern oder welken Köpfen signalisieren sie, dass sie Wasser brauchen. Mit farbigen Blüten laden sie ein, zu schnuppern und zu tasten. Mit reifen Früchten fordern sie zum Pflücken auf. 

Von den positiven Wirkungen des Gärtnerns können natürlich alle Menschen in der Natur und in allen Gärten profitieren. Es braucht nicht einmal zwingend einen Garten, wie Martina Föhn bestätigt: «Säen, jäten – das geht auch in Töpfen auf dem Balkon oder am Hochbeet. Denn auch so hat man die Rolle des Pflegenden, übernimmt Verantwortung für Pflanzen, also Lebewesen – das kann einem viel geben.»