Druck im Wirbelsäulenkanal

Bei jeder fünften Person über 60 Jahren ist der Spinalkanal verengt. Wegen rasch ermüdenden Beinen können Betroffene oft nur kurze Gehstrecken zurücklegen.

Rosa P. ging seit ihrer Jugend schon immer gerne auf grössere und kleinere Wanderungen. Seit einiger Zeit be-reitet der 69-jährigen Rentnerin das Gehen aber Mühe, da ihre Beine schnell ermüden und sie immer wieder Sitzpausen einlegen muss. Ihr Hausarzt schickte sie zur Abklärung ins Inselspital Bern, wo man bei ihr schliesslich eine Verengung des Spinalkanals (Spinalkanalstenose) der Lendenwirbelsäule feststellte.

Einengung von Rückenmark und Nerven

Durch den Spinalkanal verlaufen das Rückenmark und die Nerven. «Bei der Spinalkanalstenose werden die Nerven im Wirbelkanal aufgrund der Vorwölbung der abgenutzten Bandscheiben und der Vergrösserung der Wirbelgelenke eingeengt», erklärt Professor Lorin M. Benneker, Leiter der Wirbelsäulenchirurgie der Orthopädischen Klinik am Inselspital Bern. Dabei handelt es sich um eine altersbedingte Abnutzung,
von der rund 20 Prozent der über 60-Jährigen betroffen sind. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen. Sehr selten liegt eine angeborene Einengung vor.

Sitzen und Bücken erleichtert

Das häufigste Symptom der Spinalkanalverengung, welche die Lendenwirbelsäule betrifft (lumbale Spinalkanalstenose), ist eine rasche Ermüdung der Beine mit Kraftverlust. Die Gehstrecke, die man gehen kann, wird immer kürzer. Bei einigen Patienten verstärken sich auch die meist schon vorbestehenden Rückenschmerzen. «Da sich der Spinalkanal durch das Vorüberbeugen des Oberkörpers etwas erweitert, werden durch das Einnehmen dieser oder auch der sitzenden Position die Schmerzen etwas gelindert», sagt Benneker. Solange die Beschwerden nur beim Gehen und Stehen auftreten, sind keine bleibenden Schäden zu erwarten. Anders sieht die Situation aber aus, wenn der Spinalkanal der Halswirbelsäule betroffen ist. «Hier können bleibende Schäden des Rückenmarks entstehen.» Es kann zu Gefühlsverlust in Händen und Füssen kommen, und in fortgeschrittenem Stadium können sogar Koordinations-, Gangstörungen und Lähmungen auftreten.

Mühe, das Hemd zuzuknöpfen

Betroffene haben dann Mühe, ein Hemd zuzuknöpfen, die Handschrift wird unleserlich, und die Patienten zeigen ein für diese Form typisches «staksiges» und unsicheres Gangbild. An der Lendenwirbelsäule verläuft eine Spinalkanalverengung sehr langsam und nur bei zirka einem Drittel der Patientinnen und Patienten ist eine Behandlung nötig. Anders ist es bei der Verengung, die in der Halswirbelsäule auftritt. Hier sollte in fortgeschrittenem Stadium ein operativer Eingriff erfolgen. «Ein weiterer Funktionsverlust muss dringend vermieden werden», so der Arzt.

Physiotherapeutische Haltungsübungen

Die lumbale Spinalkanalverengung wird häufig mit Schmerzmitteln behandelt. «Obwohl diese oft nicht genügend gegen die Beschwerden in den Beinen helfen, könne sie bei gleichzeitig auftretenden Rückenschmerzen aber durchaus sinnvoll sein.» Eine Wochen bis Monate anhaltende Funktionsverbesserung kann dafür eine Cortison-Injektion in den Spinalkanal bringen. Auch mit physiotherapeutischen Haltungsübungen ist es möglich, die Rückenschmerzen zu reduzieren und die Gehstrecke zu erhöhen. Am effizientesten ist gemäss Lorin M. Benneker aber auch hier ein operativer Eingriff – die sogenannte Dekompressions-Operation. «Dabei wird durch eine teilweise Entfernung von Bändern und Wirbelgelenken mehr Platz für Nerven und Rückenmark geschaffen.»


Der Eingriff ist minimalinvasiv und kann in wenigen Fällen sogar ambulant durchgeführt werden, in der Regel ist ein Spitalaufenthalt von drei bis vier Tagen nötig.