Diagnose Alzheimer – wie geht es jetzt weiter?

Wir werden immer älter, körperlich sind wir auch mit 80 oder 90 oft noch gut beisammen. Doch mit der Lebenserwartung steigt auch die Aussicht, dement zu werden. Was tun, wenn diese Diagnose bei einem nahen Angehörigen gestellt wird? Wie geht man mit ihm um? 
  
Mama möchte ihre Jacke  haben, ihr ist kalt. Doch als Sie sie ihr bringen, behauptet sie völlig ungerührt, dass sie doch keine Jacke brauche und auch nie danach verlangt habe!  
 
Nervt Sie so was? Ja klar! Aber wenn Ihre Mutter dement ist, empfiehlt es sich trotzdem nicht, mit ihr eine Diskussion anzufangen. Viel besser: Sie entschuldigen sich für das Missverständnis und legen die Jacke wieder zurück. Das erspart ihrer Mutter viel Verwirrung und Frust und entspannt die Situation. Immer daran erinnert zu werden, dass sie Defizite haben, tut dementen Menschen nicht gut, es ist eine ständige Demütigung – und «lernen» können sie aus dem Vorfall leider nichts. 
 
Der Umgang mit dementen Menschen ist eine anspruchs-volle Aufgabe. Und eine schmerzliche. Wenn der weltgewandte, smarte  Ehemann oder der Papa, zu dem man aufschauen konnte, tappig und vergesslich geworden ist, die elegante Partnerin oder die patente Mama völlig verwirrt, so kann einen das zur Verzweiflung bringen. Die Person, die man einst kannte, existiert in dieser Form einfach nicht mehr. 
 
Ursula Jucker, erfahrene Pflegefachfrau und seit Jahren als Ausbildnerin und Dozentin zum Thema Umgang mit Demenzkranken tätig, kennt diese Probleme – und die Belastungen, die sie für Angehörige mit sich bringen. «Demente Menschen betreuen ist wie ein Marathon», sagt sie. «Zwei Drittel aller Angehörigen, die einen dementen Menschen über lange Zeit betreuen, werden selber irgendwann krank.» Rechtzeitig Hilfe annehmen, sich entlasten, sich Entspannung gönnen, soziale Kontakte pflegen und einfach «für sich selber schauen», sind die wichtigsten Ratschläge, die sie Betroffenen mitgibt. Denn nur wer selber gesund und im Lot ist, ist auch in der Lage, für einen dementen Angehörigen mitzusorgen.

 
Gefühle bleiben 
Demenz ist eine Hirnleistungs-störung; in der Schweiz leiden mindestens 110’000 Menschen daran. Es gibt etwa 50 Formen von Demenz – am meisten verbreitet ist Alzheimer. Etwa die Hälfte der Demenzerkrankten ist von dieser Form betroffen. Ganz ähnlich wie Alzheimer äussert sich die Pseudodemenz, die aber nur etwa 10 Prozent der Erkrankten betrifft. Schuld ist hier nicht ein Problem im Hirn, sondern ein Mangel an Folsäure, Vitamin B12 oder Schilddrüsenhormonen. Kann dieser Mangel behoben werden, verschwinden auch die demenzähnlichen Symptome.

 
Für die meisten Menschen, deren Hirn im Abbau begriffen ist, gilt dies leider nicht. Medikamente helfen allenfalls in der Anfangsphase, können das Fortschreiten der Erkrankung hinauszögern. Heilung gibt es aber bisher nicht.
 
Wie umgehen mit solchen Menschen? Wichtig ist auf jeden Fall: Spüren lassen, dass man ihnen Respekt entgegenbringt – und sie möglichst nicht ständig daran erinnern, dass sie nicht mehr können, was sie früher konnten. «Gefühlsmässig erfassen die Betroffenen viel», weiss Ursula Jucker. «Sie spüren, ob ihnen Wertschätzung und Respekt entgegengebracht wird. Überforderung dagegen macht sie hilflos und häufig aggressiv. Wer emotional ‹mitgeht› mit einem Betroffenen, kann auf diesem Weg noch lange mit ihm kommunizieren.»

 
Das hilft im Umgang 
Fachfrau Ursula Jucker schult Angehörige im Umgang mit Demenzkranken, zum Beispiel für die private Seniorenbetreung Home-Instead. Ihre wichtigsten Tipps:

  • Lassen Sie den Betroffenen Ihre Wertschätzung spüren. Zeigen Sie ihm: Ich verstehe dich. Bestätigen Sie seine Gefühle. Bieten Sie ihm wenn möglich Hilfe an gegen Ängste und Zweifel – und sei es einfach, dass Sie ihn in den Arm nehmen.
  • Fragt ein Betroffener immer das Gleiche, dann geben Sie Antwort, als ob Sie die Frage das erste Mal hören, und führen Sie das Gespräch auf etwas anderes zu, indem Sie das Thema wechseln oder einen Vorschlag für eine gemeinsame Beschäftigung machen.
  • Fragen Sie nicht zu viel und stellen Sie einen betroffenen Menschen nicht vor eine grosse Wahl, das überfordert ihn. Fragen Sie höchstens: Möchtest du den roten   Pulli anziehen? Und falls die Antwort Nein ist: Möchtest du lieber den blauen Pulli anziehen? (Oder-Fragen können überfordern.)
  • Richten Sie Gespräche lieber auf die Kindheit und das junge Erwachsenenalter als auf kurz Zurückliegendes – das Langzeitgedächtnis funktioniert länger. Oder sprechen Sie über das Hier und Jetzt.

  
 
Mit Demenz zu Hause leben
Die meisten Demenzkranken möchten so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Das macht auch Sinn, denn dort finden sie sich am besten zurecht. Damit betreuende Angehörige sich nicht selber überfordern und krank werden, ist es sehr wichtig, rechtzeitig Hilfe und Entlastung anzunehmen. Weiterhelfen können die folgenden Adressen:
Alzheimervereinigung:
www.alz.ch
Lokale Spitex:
www.spitex.ch
Private Seniorenbetreuung, z. B.
www.zuhauseleben.com 
www.homeinstead.ch (Home Instead führt auch Schulungen für Angehörige von Demenzkranken durch).