
Kaffee wirkt harntreibend. Aber dem Körper Wasser entziehen? Nein.
Das grosse Abc der Gesundheits-Mythen
Wissen mischt sich mit Glauben. Althergebrachtes trifft auf Neues – und am Schluss weiss niemand mehr, was wirklich zutrifft.
Von Serge Hediger
Wohl in nur wenigen Fachgebieten halten sich Mythen länger und hartnäckiger, als in der Gesundheit. Was ist dran an dem, was wir wissen oder zu wissen glauben?
A) Ja, Rüebli sind gut für die Augen. Das im Gemüse enthaltene Betacarotin ist eine Vorstufe von Vitamin A, das für Funktion und Aufbau unserer Haut, der Schleimhäute und des Blutes notwendig ist – und sich positiv auf die Nachtsicht auswirkt.
B) Nein, Schlafen mit BH erhöht nicht das Risiko auf Brustkrebs. Zwischen BH und Brustkrebs besteht kein Zusammenhang. Ob und welche Kleider man im Bett trägt, ist allein eine Frage der Bequemlichkeit.
C) Nein, Eier erhöhen den Cholesterinspiegel nicht. Wissenschaftler liessen Probanden während acht Wochen jeden Tag zwei Eier zum Frühstück essen. Das Resultat: keine negativen Auswirkungen auf den Cholesterinspiegel. Überflüssiges Cholesterin wird über den Darm ausgeschieden.
D) Jein, spät essen kann dick machen. Bis vor kurzem ging man noch davon aus, dass allein die Menge an Kalorien darüber entscheidet, ob wir zu- oder abnehmen. Mittlerweile hat die Forschung jedoch Einwände: Auch die Essenszeiten könnten eine Rolle spielen. Zmorge ist besser als Znacht: Man nimmt mehr ab und der Insulinspiegel sinkt.
E) Ja, Schlaf kann man nachholen. Forscher konnten zeigen, dass das Sterberisiko durch Schlafmangel nicht steigt – vorausgesetzt, man bleibt zum Ausgleich auch mal etwas länger liegen. Wird die ideale Schlafdauer von rund sieben Stunden dauerhaft unterschritten, fehlt dem Körper Zeit zur Erholung, und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht und Diabetes steigt.
F) Nein, Fingerknacken führt nicht zu Rheuma und Gelenkbeschwerden. Es gibt schlicht keine Beweise für eine negative Auswirkung auf die Struktur der Hände . Man kann damit nur die Arbeitskollegen zur Weissglut bringen.
G) Nein, bei einem runden Bauch gibt es nicht zwingend ein Mädchen. Auch Hautbild oder Essensgelüste sagen nichts über das Geschlecht des erwarteten Kindes aus. Genauso wenig wie der Geburtstermin oder der Zeugungstermin.
H) Nein, Sitzen auf kaltem Stein löst keine Hämorrhoiden aus! Auch nicht der umgekehrte Fall: Die Sitzheizung im Auto hat keinen Einfluss auf die Gefässpolster im Analbereich.
I/J) Nein, im Alter funktioniert das Gehirn nicht schlechter – nur anders. Während Junge gut darin sind, Neues zu lernen und Dinge zu verarbeiten, können Ältere das Wissen, das sie im Laufe des Lebens erworben haben, tendenziell besser abrufen – man spricht von kristalliner Intelligenz. So verfügen ältere Menschen über eine höhere Sprachkompetenz und können in komplexen Situationen leichter Schlussfolgerungen ziehen.
K) Nein, Kaffee entzieht dem Körper kein Wasser. Koffein wirkt lediglich harntreibend. Wer viel Kaffee trinkt, muss häufiger zur Toilette. Darum nimmt man wohl mehr Flüssigkeit zu sich.
L) Ja, Tomaten sind besonders reich am roten Pflanzenfarbstoff Lycopin, der mit dem Schutz von Herz, Augen und Prostata in Verbindung gebracht wird. Natürliches Lycopin enthalten aber auch Hagebutten, Guaven oder Wassermelonen.
M) Jein, Cola und Salzstangen sind nicht nur gut bei Magen-Darm-Grippe. Wenn sich der Magen dreht, verliert der Körper Flüssigkeit und Mineralien, die wieder zugeführt werden müssen. Salzstangen und Cola sind dafür nicht optimal: Das Koffein in der Cola kann besonders bei Kindern den Durchfall noch verstärken. Zu viel Zucker entzieht dem Körper weiteres Wasser sowie Kalium.
N) Jein, Nase hochziehen kann besser als Schnäuzen sein. Ärzte warnen vor zu starkem Schnäuzen, denn der Schleim kann so leichter in die Nebenhöhlen gelangen, wo dann eine Nebenhöhlenentzündung entstehen kann. Dies geschieht beim – diskreten – Hochziehen der Nase (und beim leichten Schnäuzen) nicht.
O) Jein, Frucht- und Gemüsesäfte sind nicht das Mittel der Wahl bei Krankheiten. Eine Orange zu essen ist immer die bessere Alternative zu einem Glas Orangensaft. Im Vergleich zu Saft enthalten die ganzen Früchte mehr Nahrungsfasern, Antioxidantien und sekundäre Pflanzenstoffe.
P/Q) Nein, die Pulskontrolle ist bei einem Unfallopfer nicht mehr zentral für die Erste Hilfe. Der Erkenntnisgewinn ist zu gering und die Prüfung nicht ganz so einfach. Atmet der Patient abnormal oder gar nicht, wird ohne Kontrolle des Pulses eine Herz-Lungen-Wiederbelebung eingeleitet.
R) Nein, häufiges Rasieren lässt die Haare nicht dicker nachwachsen. Ob Gesicht oder Bein – das Haar fühlt sich nur dicker an, da die Fläche, an der es abgeschnitten wurde, flach und kantig ist. Nach einigen Tagen aber glätten sich die Kanten, und die Haare fühlen sich wieder weicher an.
S) Nein, Schnaps fördert die Verdauung nicht. Alkohol hemmt die Verdauung und kann zu grösseren Beschwerden führen, als wenn man den Schnaps nach dem Fondue nicht getrunken hätte. Tatsächlich verlangsamt Alkohol das Pumpen des Magens.
T) Ja, ein Herz kann tatsächlich brechen. Trauer, Wut oder Angst können zu Herzproblemen führen. In der Fachsprache wird diese Erkrankung Takotsubo-Syndrom genannt. Seine Symptome gleichen denen eines akuten Herzinfarkts: plötzlich auftretende Schmerzen, Druck und Beklemmung in der Brust, extreme Angst, Schweissausbrüche, Kurzatmigkeit oder Atemnot sowie Herzstolpern oder Herzrasen.
U) Jein, Unfallopfer müssen nicht immer in die stabile Seitenlage gebracht werden. Nur bewusstlose Personen mit einer normalen Atmung sollten in die stabile Seitenlage gebracht werden. Verletzte mit Atemproblemen oder gar ohne Atmung sollte man zur weiteren Versorgung oder Wiederbelebung auf den Rücken legen.
V) Nein, bei Verbrennungen sollte man keine Hausmittel verwenden! Egal ob rohe Kartoffeln, Mehl, Backpulver, Essig, Öl, Bananenschalen oder Honig – von all dem raten Feuerwehrleute und Verbrennungsmediziner ab. Es besteht Verschmutzungs- und Entzündungsgefahr und teils wird das Abkühlen der Wunde verhindert. Auch sollten Blasen nicht aufgestochen werden.
W) Nein, eine harte Matratze ist nicht besser für den Rücken. Lange galt eine harte Matratze als die optimale Unterlage bei Rückenbeschwerden. Das ist mittlerweile widerlegt: Die optimale Matratze ist nämlich weder zu weich noch zu hart und passt sich der Wirbelsäule an. Zudem ist die Wahl der Matratze individuell – entscheidend sind Schlafgewohnheiten, die Schlafposition, das Gewicht und der Rücken.
X/Y/Z) Ja, kranke Zähne und eine schlechte Mundhygiene können das Risiko für Schlaganfälle, Frühgeburten oder rheumatische Erkrankungen erhöhen, wenn sie zusammen mit anderen Faktoren auftreten. Führen Karies oder Parodontitis zu Bakterienherden im Mund, können diese Bakterien ins Blut und so in verschiedene Organe und an die Gelenke gelangen, wo sie weiteren Schaden anrichten.