Das Gehirn fit halten

Ganz so schnell wie in jungen Jahren ist unser Gehirn nicht mehr, wenn wir älter werden. Fit bleiben kann es aber allemal! Bedingung ist allerdings, dass wir es fleissig nutzen – und rechtzeitig damit anfangen.

Meistens merkt man es selber: Ab der Lebensmitte fällt es uns ein bisschen schwerer, Neues dazuzulernen, und manchmal geht es auch nicht mehr ganz so schnell mit dem Denken wie früher. Wir brauchen etwas länger, bis uns etwas wieder einfällt. Sind das Alarmzeichen, werden wir jetzt bereits tatterig oder gar dement?

Keine Panik: Das alles ist normal. «Das Gehirn verändert sich», erklärt der Neuropsychologe Prof. Lutz Jäncke von der Universität Zürich. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon: «Die sogenannten Axone, die ‹Kabelsysteme› im Hirn, werden mit den Jahren etwas langsamer, die Informationsübertragung ist nicht mehr ganz so fix. Und es findet auch sonst eine ganze Reihe von minimalen Abbauprozessen statt, beispielsweise verändert sich das Volumen des Gehirns. Allerdings nur marginal, um etwa ein halbes Prozent pro Jahr. Das ist sehr wenig!»

Die gute Nachricht: «Auf der anderen Seite ist es so, dass wir in manchen Funktionen auch besser werden», erklärt der Hirnforscher. «Und zwar dann, wenn es um Wissen geht oder darum, Informationen einzusortieren in unser Wissen.» Dann kommt uns die Erfahrung zugute – all das, was wir bereits in unserem Gehirn eingelagert haben. Gedächtnistests bestätigen diese Erkenntnis: «Wenn es ums Wissen geht, schneiden wir recht gut ab, wenn wir älter werden. Bei Gedächtnis-Tests, die Kurzzeitinformation erfordern, werden wir dagegen etwas schlechter.»

Manche werden im Alter klüger
Faszinierend für den Hirnforscher: Nicht bei allen Menschen läuft dieser Prozess gleich ab. «Rund zwei Drittel der Menschen zeigen im Alter von 65 bis 75 keine abnehmenden geistigen und psychologischen Leistungen. Ungefähr 10 Prozent werden sogar besser. Und nur bei 20 bis 30 Prozent nimmt die Leistungsfähigkeit ab. Das Alter ist also nicht zwingend mit einer Abnahme von geistigen Leistungsfähigkeiten verbunden.» Zudem geschieht dies individuell und auch differenziert: «Wir vermuten, das hängt von bestimmten Konstellationen ab; davon, was man macht im Alter und was man vor dem Alter gemacht hat. Ob man geistig, körperlich und sozial aktiv war, welchen Lebensstil man gepflegt hat.»

Wie gut das Hirn im Alter noch funktionieren wird, kann man selber beeinflussen. Prof. Jäncke: «Wer über eine Lebensspanne hinweg durch intensives Training genügend geistige, körperliche und soziale Kapazität aufgebaut hat, wird genügend Reserven haben, um mögliche Abbauprozesse im Alter zu kompensieren.» Dies gilt natürlich nur für Menschen, die nicht an einer Form von Demenz erkrankt sind. Studien haben allerdings gezeigt, dass selbst Menschen, in deren Gehirn sich klare Hinweise auf Alzheimer fanden, trotzdem geistig fit blieben, wenn sie grosse kognitive Reserven hatten.

Körperliche Fitness hilft mit
Von Medikamenten, spezieller Ernährung und anderen Anti-Aging-Mitteln hält der Neuropsychologe eher wenig. Die drei wichtigsten Faktoren, um einen günstigen Einfluss auf seine geistige Fitness zu nehmen, sind für ihn klar: «Geistig aktiv bleiben bis ins hohe Alter, körperlich aktiv bleiben bis ins hohe Alter, sozial aktiv bleiben bis ins hohe Alter! Das sind die wichtigsten Anti-Aging-Pillen! Und dazu muss man seinen Blutdruck und seinen Blutzucker in den Griff bekommen.»

«Körperliche Aktivität hat eine Reihe von interessanten Effekten: Der Kreislauf wird trainiert, das gesamte kardiovaskuläre System, die Sauerstoffaufnahme – das ist für das Gehirn sehr wichtig. Und psychologisch ein wichtiger Punkt: Wenn man Sport treibt, muss man seinen inneren Schweinehund überwinden, das erfordert Selbstdisziplin und die wird über das Stirnhirn vermittelt, den Frontalkortex. Schliesslich wird der Frontalkortex stimuliert, den wir auch für andere kognitive Tätigkeiten brauchen. Wenn wir uns sportlich betätigen, betätigen wir auch den Frontalkortex und trainieren ihn.»

Training muss Spass machen
Und Hirntraining oder Hirnjogging? «Das ist insofern ganz nett, weil man dadurch an geistige Tätigkeiten herangeführt werden kann», so der Forscher. «Aber Aufgaben lösen, die Ihnen nichts bedeuten, bringt wenig. Ich empfehle, Dinge zu trainieren, die interessieren, Spass bereiten und Sinn machen. Zum Beispiel eine Sprache lernen. Oder sich in ein neues Wissensgebiet einarbeiten, für das man Interesse hat.»

So halten Sie Ihr Hirn fit

Es gibt viele Wege, die graue Rinde in Schuss zu halten. Wichtig ist, dass sie einen Bezug zum Alltag haben und einem etwas bringen.

Ein paar Beispiele:

  • Lernen Sie die Sprache der Gegend, in die Sie eine Reise planen! Ein Sprachkurs fördert nicht nur die geistige, sondern auch die soziale Aktivität!
  • Eröffnen Sie sich neue Wissensgebiete, informieren Sie sich beispielsweise über Musik, einen Komponisten, arbeiten Sie sich in seine Zeit hinein. So entwickeln Sie neue Interessen.
  • Strecken sie nicht die Waffen, wenn etwas kompliziert wirkt: Lernen Sie, was in Ihrem Handy, Ihrem Computer oder Ihrem Tablet steckt, und wenden Sie es an!
  • Melden Sie sich für einen Gymnastik- oder Tanzkurs an. Das hilft Ihnen, den inneren Schweinehund zu überwinden und hält sie auch sozial fit.