«Booouuuuuoooh!»

Gegen Schlafapnoe wird neu eine unkonventionelle Therapie eingesetzt: das Spiel auf dem australischen Blasinstrument ­Didgeridoo. GP-Mitarbeiter Rudolf Zollinger hat es ausprobiert.

Es ist zum Verrücktwerden! Ich schlafe nachts mindestens acht Stunden und bin am Morgen trotzdem müde.» Die Vermutung meines Hausarztes Thomas Schwartz in Richterswil lautet: Schlafapnoe.Ein paar Tage später werde ich in Wädenswil ZH vom Lungenfacharzt Wilfried Flade gründlich untersucht. Um feststellen zu können, ob ich an nächtlichen Atemaussetzern leide, muss ich eine Nacht lang ein sogenanntes Polygraphiegerät auf mir tragen, das während des Schlafs Atemaussetzer, den Atemfluss unter der Nase, die Sauer­stoffsättigung und noch mehr aufzeichnet. Die Diagnose ­bestätigt sich: obstruktive Schlafapnoe – ein CPAP-Gerät soll künftig für regelmässiges Atmen sorgen.Neben meinem Bett steht nun das kleine Gerät, und ein Schlauch führt zu einer Gesichtsmaske, die ich mir vor dem Schlafengehen überstülpen muss. Müde lege ich mich hin und nicke ein. Doch keine Viertelstunde später schrecke ich in Panik hoch und ringe um Atem – obwohl mir die Maske doch beim regelmässigen Atmen helfen sollte. «Stell dich nicht so an», sage ich mir, und versuche es wieder. Erneut reisse ich die Maske vom Gesicht. Frustriert bringe ich das Gerät zurück. «Sie sind nicht der Einzige, der damit nicht klarkommt», erklärt mir Arzt Wilfried Flade. «Als Alternative versuchen manche, Didgeridoo zu spielen» (ausgesprochen: Ditscheridu), sagt er. «Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?», entgegne ich. «Ganz und gar nicht», versichert er mir, «vor allem bei jüngeren Patienten kann es wirken.»Szenenwechsel. In Neuenkirch LU sitze ich dem Didgeridoo-Lehrer Daniel Spiegel gegenüber. In der Hand ein spezielles  Therapie-Instrument – vom Aussehen her weit entfernt von den kunstvoll gefertigten Didgeridoos der australischen Ureinwohner. Ausführlich erklärt er mir die Atemtechnik, welche die Rachenmuskeln stärken und dem Instrument Töne entlocken soll. Die ersten Versuche scheitern kläglich. Nach einiger Zeit gelingt es mir dann, auf dem Ding einen tiefen, weittragenden Ton zu erzeugen. Drei Stunden später entlässt mich der Therapeut mit der Ermahnung, fleissig zu üben.

Daran habe ich mich gehalten und es zu einem leidlichen Didgeridoo-Spieler gebracht. Seine tiefen Töne versetzen mich in eine innere Ruhe. Nach drei Monaten trage ich wieder für eine Nacht das Polygraphiegerät auf mir. Das Resultat ist ernüchternd: praktisch keine Verbesserung. Ich bin frustriert. «Sie sind ein älterer Mensch. Im Rachen sind die Muskeln auch nach dem Training weniger straff und das unter der Schleimhaut befindliche Gewebe ist lockerer», sagt der Lungenfacharzt.

Die genauen Ursachen eines obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms sind nicht bekannt. Erbliche Veranlagung scheint eine Rolle zu spielen. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht zusammen mit einem grossen Halsumfang. Schlafapnoe kann die Gesundheit beeinträchtigen. Studien zeigen eine statistisch erhöhte Schlaganfallgefahr oder Probleme mit dem Herzen.

Was kann man dagegen tun? «Bei vielen hilft eine Gewichtsreduktion. Es gibt auch Versuche mit Zahnschienen, die nachts den Unterkiefer weiter vorn halten, sodass der Weg nach hinten für die Zunge länger wird», erklärt der Arzt. Zahnschienen? Kommt nicht in Frage. Aber eigentlich spüre ich – trotz ernüchternder Werte – dass ich dank dem Didgeridoo morgens weniger müde bin. Liegt es an seinen beruhigenden Tönen? Dass es meine Atem- und Gesichtsmuskeln trotzdem ein wenig kräftigt? Der Glaube kann nicht nur Berge versetzen, sondern vielleicht auch Atemwege stärken. Darum werde ich mir ein richtiges Didgeridoo kaufen: «Boooouuuuuooooh!»

 

Wie entsteht eine obstruktive Schlafapnoe?

Wir tragen unser Speicherfett nicht nur am Bauch oder auf der Hüfte, sondern auch am Hals, auch innen. Das kann im Schlaf dazu führen, dass bei zurückrutschender Zunge ein Verschluss (Obstruktion) im Rachen entsteht, der das Atmen unmöglich macht. Es entsteht eine Atempause von bis zu 45 Sekunden Dauer. Der Sauerstoffvorrat ist schnell erschöpft. Es kommt zu einer nicht bemerkten Weckreaktion des Körpers. Die Folge: Mehrmals wird tief durchgeatmet, bis genug Sauerstoff aufgenommen ist, dann wird weitergeschlafen. Das kann sich jede Minute wiederholen. Stündlich 60 unbemerkte Weckreaktionen und 60-mal wenig O2 im Blut. Tags darauf ist man müde, schläft ungewollt ein.

Was kann man dagegen tun? Mit etwas Luftdruck den Rachen offenhalten. Dazu braucht es ein CPAP-Gerät, das mit einer Nasenmaske verbunden ist, die man die ganze Nacht trägt. Das tut nicht weh, ist aber nicht immer angenehm, und derzeit die wirksamste und gebräuchlichste Therapie.

Gibt es Alternativen? Eine interessant klingende ist Didgeridoo spielen. Jeden Tag 20 Minuten, um die Muskeln im Rachen zu trainieren. Gekräftigt halten sie nachts den Rachen offen, und die Atmung fliesst ruhig.