Bin ich ein «Gfrörli» oder krank?

Leide ich unter einer Gefässkrankheit, tiefem Blutdruck oder sind ­meine Eishände und ständig kalten Füsse normal? Diese Frage stellt sich so manch eine Frau – vor allem jetzt, wo es wieder kälter wird.

Wegen kalten Händen und Füssen zum Arzt? Nein. Oder doch? Wer das «Gfrörli»-Gefühl seit jeher kennt, braucht sich in der Regel keine Sorgen zu machen: Bei Kälte und Nässe verengen sich natürlicherweise die Blutgefässe, der Blutfluss wird verlangsamt, Hände und Füsse werden mit weniger Blut versorgt – die Folge ist das Kältegefühl. Meist helfen warme Handschuhe und Socken. Tritt dieses Kältegefühl hingegen völlig neu auf, sieht es anders aus, weiss Dr. med. Christian Regli, Inhaber des Zentrums für Gefässmedizin in Aarau: «Es gibt Warnsignale wie etwa ein Schmerz, der nicht mehr verschwindet oder kleine, spontan entstehende Wunden an den Fingerspitzen.» Bleibt das Taubheitsgefühl oder sind isoliert einzelne Finger betroffen, kann eine andere Erkrankung dahinterstecken, welche dies auslöst.

Meist harmlos

Dr. Regli beruhigt jedoch: «Meist handelt es sich nicht um eine gefährliche Durchblutungsstörung, sondern um eine harmlose Engstellung der kleinen Gefässe der Haut. Häufig ist die Ursache eine Fehlregulation der Eng- und Weitstellung. Aber auch Medikamente, Stress und Rauchen können die Symptome verstärken oder auslösen. Eine besondere Form ist das «Raynaud-Syndrom», das zu 80 bis 90% Frauen trifft. Dabei werden Finger und Zehen ganz plötzlich und scheinbar grundlos blau, rot und dann weiss, weil die Gefässe sich so stark zusammenziehen», erklärt der Facharzt für Angiologie und Innere Medizin. «Tritt dies neu auf oder sind einzelne Finger mehr betroffen, empfiehlt sich eine spezialärztliche Abklärung.»

Dass Frauen häufiger frieren ist völlig normal. Sie besitzen ein empfindlicheres vegetatives System, haben einen tieferen Blutdruck und weniger Muskelmasse und neigen daher gehäuft zu einer Engstellung der kleinen Endgefässe. «Manchmal verbessern sich die Symptome nach einer Schwangerschaft oder mit zunehmendem Alter. Männer erkranken hingegen etwa doppelt so häufig an der meist viel gefährlicheren peripheren arteriellen Verschlusskrankheit wie der Schaufensterkrankheit, wenn die Arterien verkalken», erläutert Dr. Regli.

Der Weg zu mehr Wärme

Liegt tatsächlich eine schwere Durchblutungsstörung vor, ist eine Umstellung der Gewohnheiten wichtig. Sie rauchen? Ein Grund mehr, damit aufzuhören. Sie kämpfen bei Bewegungsfragen oft mit dem inneren Schweinehund? Durchsetzen. Medikamente sind die Auslöser? Rücksprache mit dem Arzt nehmen. Denn sind verkalkte Arterien der Grund, empfiehlt es sich, die Schutzmedikamente dennoch weiter einzunehmen, auch um einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu verhindern.

Schwere Durchblutungsstörungen gehören in die Hände der Gefässmediziner. Dr. Regli: «Die verstopften Arterien können durch einen minimal invasiven Eingriff mittels Katheterintervention wiedereröffnet werden. Dieser Eingriff ist bekannt als ‹Ballönle›. Häufig wird eine Stütze benötigt, der sogenannte Stent (Metallgitter), damit sich das Gefäss nicht wieder verschliesst.» Anders verhält sich die Lage, wenn eine Nervenstörung der Grund für die kalten Gliedmassen ist. «Die Ursache dafür kann unter anderem Diabetes mellitus, Alkohol oder ein Vitamin-B12-Mangel sein, und das muss behandelt werden. Die Therapie erfolgt somit sehr individuell.»

Wärmende Tipps

Zusätzlich zur Therapie, aber auch bei nicht krankhaften kalten Fingern und Zehen, gilt wie schon zu Grossmutters Zeiten:

  • Im Winter Handschuhe und warme, qualitativ hochwertige Socken tragen.
  • Immer für guten Kälte- und Nässeschutz sorgen.
  • Keine zu engen Schuhe tragen.
  • Die Durchblutung durch Wechselbäder und viel Bewegung anregen.
  • Regelmässig Finger- und Zehengymnastik betreiben.
  • Saunieren.
  • Mit der Bettflasche unter die Decke kriechen.
  • Sich gesund ernähren.
  • Tees mit Fenchel, Anis, Kümmel oder Vanille trinken.
  • Auf Tabak verzichten.