Babys aus der Eiseskälte
Weniger riskante Mehrlingsschwangerschaften, weniger Frühgeburten und seltener Fehlgeburten: Seit es die Schweiz erlaubt, Embryonen einzufrieren, steigen die Chancen, dass Paaren mit einem unerfüllten Kinderwunsch geholfen werden kann.
Unumstritten war es nicht, als im September 2017 das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz in Kraft trat. Für Paare, die sich ein Baby wünschen, erwies es sich aber als Segen. Denn die Chancen, dass durch künstliche Befruchtung ein gesundes Kind entsteht, sind dadurch gestiegen. «Heute dürfen wir nicht mehr nur Ei- und Samenzellen, sondern auch Embryos kryokonservieren, also zur Aufbewahrung tiefgefrieren», erklärt Prof. Christian De Geyter, Chefarzt Reproduktionsmedizin und gynäkologischer Endokrinologe an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. Die Folge: Es gibt weniger riskante Mehrlingsschwangerschaften. An der Uniklinik Basel sind es inzwischen weniger als zwei Prozent. Und die frühe Schwangerschaftsphase hat sich verbessert, denn wenn sich nur ein Embryo in der Gebärmutter befindet, verläuft der erste Entwicklungsabschnitt besser, es kommt weniger zu Frühgeburten und auch viel seltener zu Fehlgeburten.
«Wenn ein Embryo nach vorheriger Kryokonservierung aufgetaut wird, kann die Entwicklungsfähigkeit des Embryos viel besser beurteilt werden als kurz nach der Befruchtung», erklärt der Professor. Noch bevor er in die Gebärmutter eingepflanzt wird, lässt sich eine sehr genaue Prognose erstellen über die Wahrscheinlichkeit, mit der er sich weiterentwickeln wird. Das heisst, man überträgt nicht mehr sicherheitshalber mehrere Embryonen, sondern setzt von Anfang an auf den einen Embryo, der sich hoffentlich gut entwickeln wird.
Zwar klappt auch das nicht immer. Aber die Schwangerschaftsrate pro Eizellengewinnung liegt heute immerhin bei 65 Prozent – deutlich höher als noch vor wenigen Jahren. Die Geburtenrate pro Eizellengewinnung lag 2018 bei 46,5 Prozent. Dass sie wohl kaum noch viel steigen wird, liegt vor allem daran, dass Paare heute immer älter sind, wenn sie sich für ein Kind entscheiden. Damit wird es nicht nur schwieriger mit dem Schwangerwerden, sondern auch damit, das Kind bis zur Geburt auszutragen.
Kein Sonntagsspaziergang
Natürlich sind dem Einfrieren von Embryonen klare Grenzen gesetzt: Es ist nur bis zu Tag 5 erlaubt und nur für höchstens zehn Jahre. Es dürfen maximal zwölf Embryonen pro Paar kryokonserviert werden. Allerdings wird diese Anzahl nur sehr selten erreicht. Bevor ein Embryo eingesetzt wird, kann er aber auf genetische Krankheiten oder auf Chromosomen-Störungen untersucht werden. Weitere Embryonen können eingefroren und so für allfällige weitere Versuche aufbewahrt werden, eine Schwangerschaft herbeizuführen – genauso wie dies auch für Ei- und Samenzellen möglich ist.
Trotz besserer Aussichten: Ein Sonntagsspaziergang ist eine Befruchtung ausserhalb des Körpers, die sogenannte In-Vitro-Fertilisation (IVF), noch immer nicht. Vor allem für die werdende Mutter bedeutet es zuerst mal eine hormonelle Stimulation, um das Heranreifen von Eizellen zu fördern. Dabei kann es zu einer Überstimulation kommen, bei der sich die Eierstöcke stark vergrössern und sich Wasser in der Bauchhöhle ansammelt – gefährlich!
Doch mittlerweile kann man auch dieser Gefahr besser entgegenwirken: «Sehen wir, dass die Risiken zu hoch sind, frieren wir alle Embryos ein, verschieben den Transfer und warten ab, bis sich die Eierstockfunktion wieder normalisiert hat», erklärt Prof. De Geyter. Das kleine «Eisbärchen», das dann ohne Überstimulation entsteht, soll heranwachsen wie jedes andere Baby. Auch die sind schliesslich ein Wunder.