
Alzheimer ist kein Schicksal
Jeder bekommt irgendwann Alzheimer, er muss nur alt genug werden. So lautet die gängige Meinung. «Stimmt nicht», sagt der Mediziner und Molekulargenetiker Dr. Michael Nehls. «Wir können durchaus etwas tun, um die Krankheit nicht zu bekommen.»
Das Alter ist der grösste Risikofaktor, wenn es um die
berüchtigte Alzheimer-
Demenz geht. Darüber sind sich Fachleute einig. Denn je älter die Menschen sind, umso höher ist der Anteil derjenigen, die daran leiden. Kann man der Erkrankung also nur ausweichen, indem man vorher stirbt? Ein naheliegender Gedanke. Aber ein falscher, sagt Dr. Michael Nehls. Das wäre etwa, wie wenn wir das Bett meiden würden, weil die meisten Menschen im Bett sterben. Wenn wir an Alzheimer erkranken, liegt das nicht daran, dass wir älter werden, sondern WIE wir altern. Nehls hat zu diesem Thema ein Buch geschrieben, das allein schon durch den Titel provoziert: «Die Alzheimer-Lüge» (Heyne Verlag, Fr. 24.50). Alles Schwindel, was wir bisher zu dieser Krankheit geglaubt haben? Wir fragten ihn.
GlücksPost: Die Alzheimer-Krankheit ist vermeidbar – ein schöner Gedanke. Aber stimmt er auch?
Dr. Michael Nehls: Ich liefere mit meinem Buch die erste vollständige Erklärung der Alzheimer-Demenz auf wissenschaftlicher Grundlage.
Allerdings kann der Gedanke nur für diejenigen wahr werden, die
bereit sind, Selbstverantwortung zu übernehmen. Für alle anderen gilt: Unsere allgemein verbreitete Lebensweise führt zu Alzheimer. Dass man zufällig verschont bleibt, ist nahezu unmöglich!
Was hat Sie auf diese Idee gebracht?
Ich habe viele Erbkrankheiten aufgeklärt. In ganz seltenen Fällen wird auch Alzheimer durch einen Gendefekt vererbt. Als ich erfuhr, dass Alzheimer-Mäuse mit diesem Gendefekt krankheitsresistent sind, wenn man ihnen ein Hamsterrad in den ansonsten trostlosen Laborkäfig stellt, wurde mir schlagartig klar: Der eigentliche Krankheitsauslöser war nicht der Gendefekt, sondern der Bewegungsmangel. Bei uns beschränken sich Alzheimer-verursachende Mängel jedoch nicht nur auf Bewegung.
Alzheimer ist eine Mangelkrankheit?
Ja. Unser Gehirn bildet mit dem
gesamten Körper eine Einheit.
Beispielsweise mussten wir uns
bis vor noch nicht allzu langer Zeit noch selbst bewegen, um dann beim Jagen und Sammeln etwas
zu erleben. Bewegen wir uns heutzutage nur wenig, signalisiert unser Körper unserem Gehirn, dass
mit weniger neuen Erfahrungen
zu rechnen ist. Infolgedessen schrumpft genau der Teil des Gehirns, der für das Erinnern von Erlebtem entscheidend ist. Eigentlich kann dieser Hirnteil ein Leben lang wachsen, das ist bewiesen und macht ihn einzigartig. Aber bei
unserer modernen Lebensweise schrumpft er etwa um ein Prozent pro Jahr. Durch dieses Schrumpfen tritt eine immer stärkere Überlastung dieses Gehirnteils ein, und so beginnt dann dort der Alzheimer-Prozess. Der Mangel, der das Schrumpfen verursacht, ist aber nicht nur auf körperliche
Bewegung beschränkt, er gilt auch für den Mangel an Zeit (Stichwort Stress), an Schlaf, an engen persönlichen Kontakten oder an gesunder Ernährung. Alle fördern nachweislich die Alzheimer-Krankheit.
Also haben alle, die Alzheimer
bekommen, etwas falsch gemacht
in ihrem Leben?
Sehr wahrscheinlich, aber es trifft niemanden eine Schuld. Denn wenn ich nicht weiss, was das Richtige ist, kann ich es auch nicht tun. Deshalb ist Aufklärung so wichtig.
Können wir selbst etwas tun,
um die Erkrankung zu vermeiden?
Wir können und wir müssen aktiv etwas tun, um diese Mängel zu beseitigen. Dann kann sich unser Gehirn gegen Alzheimer schützen. Denn es ist nicht unser Erbgut, das uns diese Krankheit beschert, auch nicht die Tatsache, dass wir immer älter werden. Alzheimer kommt durch die Art und Weise, wie wir älter werden.
Wie erklären Sie, dass auch sehr gebildete Menschen und geistig aktive Menschen Alzheimer bekommen?
Der Mensch hat sowohl im geistigen als auch im körperlichen Bereich Bedürfnisse. Alzheimer entsteht, wenn wir unser natürliches Bedürfnis nach Ganzheitlichkeit dem einen oder anderen Extrem opfern. So werden zum Beispiel bei körperlicher Anstrengung Hormone freigesetzt, die unsere Muskeln wachsen lassen, aber eben auch die Hirnzellen zur Vermehrung anregen. Fehlt die Bewegung, schrumpft das Gehirn. Diese neugeborenen Hirnzellen überleben jedoch nur, wenn wir sie auch benötigen, also dann auch tatsächlich etwas Interessantes erleben. Wer sich sozusagen nur im Hamsterrad bewegt, dessen Gehirn leidet genauso unter einem Mangel wie das eines Bücherwurms, der sich nicht bewegt.
Hilft das Internet beim Verblöden?
Es kommt darauf an, was man
damit macht. Nutzt man es zu Recherchen, um zum Beispiel einen neuen Wanderweg zu finden oder sich mit Freunden zu verabreden, dann ist es eine gute Sache. Ältere Menschen, die das Internet nutzen, um querzudenken, verringern definitiv ihr Alzheimer-Risiko.
Leben Sie selber nach den von Ihnen erkannten Regeln?
Meine Familie und ich versuchen alles umzusetzen, was ich bei
meinen Recherchen entdeckt habe, jedoch ohne uns Druck zu machen. Denn eines ist auch wichtig zu
wissen: Wer päpstlicher sein will als der Papst und sein Leben einem Ideal opfert, macht sich enormen Stress, und der führt definitiv zu Alzheimer.
Haben Sie keine Angst davor, irgendwann Alzheimer zu bekommen?
Nein, jetzt nicht mehr. Ich weiss nun, was ich tun muss, und dieses Wissen befreit mich von einer unberechtigten Angst. Alzheimer ist kein Schicksal!