
Polyglott, doch nirgends ist sie so richtig heimisch. Patricia Kelly schätzt die Schweizer nicht zuletzt aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit.
Patricia Kelly
«Heidi ist mein Kindheitsidol»
Die Sängerin der Familienband The Kelly Family verbindet vieles mit der Schweiz, wie sie im Interview über ihre Kindheit, Familie und Brustkrebserkrankung erzählt. Nun kommt die Musikerin für einen Vortrag über ihr intensives Leben nach Landquart.
Von Aurelia Robles
Der Nachname alleine ist bereits Programm: Kelly. Mit der Musikgruppe Kelly Family feiert Patricia Kelly seit Jahren Erfolge. Doch nun kommt die 55-Jährige nicht als Sängerin, sondern als Speakerin in die Schweiz. Am 11. Oktober hält sie im Forum Landquart GR ihren Vortrag «Plan B» inklusive Livemusik – mit dem Ziel, das Publikum zu inspirieren. «Es ist das erste Mal, dass ich öffentlich für das ganz normale Publikum spreche», erzählt die gebürtige Irin, die schon für grosse Schweizer Firmen Vorträge hielt.
GlücksPost: Patricia Kelly, was verbindet Sie mit der Schweiz?
Patricia Kelly: Ich liebe die Schweiz! Mit meinen Geschwistern gab ich immer wieder Konzerte hier. Das Schweizer Publikum liebt die Kelly Family sehr, und wir lieben es zurück. Etwas haben wir allerdings nicht gemeinsam: die Pünktlichkeit (lacht).
Sie waren heute nur zwei Minuten im Verzug.
Ich bin nie mehr als fünf Minuten zu spät. Aber wir Iren erscheinen um halb fünf, wenn wir uns um vier im Pub treffen wollen. Übrigens ist meine beste Freundin Fiona, die ich vor 30 Jahren kennengelernt habe, Westschweizerin. Mit ihr spreche ich französisch, und sie ist immer eine halbe Stunde zu spät. Und auch Heidi verbindet mich mit der Schweiz.
Die Romanfigur?
Genau. Das hört sich total verrückt an, aber sie ist mein Kindheitsidol. Wir hatten keinen Fernseher, doch ich durfte, als wir in Spanien lebten, mittwochnachmittags zu der Nachbarin die «Heidi»-Zeichentrickfilme gucken gehen. Zu Weihnachten bekam ich dann eine Heidi-Puppe, die zwei meiner Brüder kaputt gemacht haben. Ich liebe aber nicht nur Heidi, sondern mag generell die Menschen in der Schweiz.
Warum?
Weil sie sehr klug und kosmopolitisch sind. Als Mensch, der sechs Sprachen spricht und überall und nirgends gross geworden ist, fühle ich mich bei euch zu Hause. In Irland bin ich deutsch, in Frankreich die spanische Patricia Kelly und in Spanien wiederum die irische. Überall bin ich «nicht von hier». In der Schweiz muss ich mich nicht verstellen, kann ich ich sein, denn hier sprechen die meisten drei bis vier Sprachen, wodurch sie schon viel offener sind.
Dennoch haben Sie nie hier gelebt.
Tatsächlich hatten sich mein Mann Denis und ich uns das vor Jahren überlegt. Mein Leben und meine Firma habe ich jedoch in Deutschland und bin dort glücklich. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass die Schweizer Berge mich rufen: «Patricia, komm, Patricia, komm!» (Lacht.) Vielleicht für die Rente, wie Tina Turner es gemacht hat.
Vorerst kommen Sie nun als Speakerin mit Ihrem Inspirationsvortrag «Plan B» in die Schweiz.
Tatsächlich hat das Ganze in der Schweiz begonnen. Nach unserem Kelly-Family-Konzert im Zürcher Hallenstadion fragte mich jemand von Premium Speaker, ob ich nicht mal einen Vortrag halten wolle. Ein halbes Jahr später sagte ich: «Ja, ich habe Lust, aber wenn, dann richtig und seriös, damit ich die Menschen bewegen kann.»
Sie erzählen aus Ihrem Leben. Wie würden Sie es bezeichnen?
Intensiv und sehr reich, also nicht monetär, sondern an Erfahrungen, an Vielfalt, an Liebe, aber auch an Schmerz. Manchmal sage ich zum lieben Gott oder wer auch immer da oben ist: «Bitte, lass es die nächsten 20,
30 Jahre ein bisschen ruhiger angehen.» Aber ich bin vor allem sehr dankbar für mein Leben, obwohl ich meine Brustkrebserkrankung oder den Verlust unserer Mutter nicht noch einmal erleben möchte. Ganz ehrlich, ich hätte das alles gar nicht verkraftet, hätte ich nicht so viel Liebe um mich gehabt.
Wie ist es für Sie, immer wieder die Hochs und Tiefs auf der Bühne zu durchleben?
Ich geniesse diese Art von Bühne so richtig, was ich nie gedacht hätte. Natürlich ist es jedes Mal bewegend, wenn ich von Mamas frühem Tod erzähle, und dass wir auf der Strasse mit ein paar Groschen überleben mussten. Es fühlt sich so surreal an, dass ich das alles erlebt und überlebt habe.
Was hat Ihre Brustkrebserkrankung mit Ihnen gemacht?
Da ist eine grosse Wunde, die ich auch jeden Tag im Spiegel sehe. Es hat mich verändert, mich zu der Person gemacht, die ich bin. Ich bin sicherlich resilienter und sehe keine kleinen Probleme mehr. Für mich gibt es Probleme oder keine Probleme. Alles dazwischen ist das Leben. Und ich habe verstanden, dass ich nicht die Welt retten und jedem helfen kann, sondern mich schützen muss.
Neben all den Herausforderungen: Welches war bisher Ihre schönste Zeit?
Meine Kindheit in Spanien war sehr schön und voller Leichtigkeit, bis Mama starb. Und auch die ersten zwei Jahre des Kennenlernens mit meinem Mann waren toll. Wir sassen auf Wolken und waren kaum eine halbe Stunde getrennt. Wir waren so verliebt und euphorisch, und die Hormone haben total durchgedreht. Noch heute ist die Verliebtheit da, aber anders.
Die meisten kennen Sie durch Kelly Family. Ihre Grossfamilie ist auf der Welt verteilt. Wie bleibt man sich nah?
Um ganz ehrlich zu sein, mit manchen Geschwistern bin ich sehr nah und mit anderen nicht. Punkt. Ich habe aufgehört, zu versuchen, mit jedem super auszukommen, das ist sehr anstrengend. Wir kommen immer mal wieder zusammen, aber in kleineren Gruppen.
Konnten Sie als Kind ein Individuum sein?
Ich bin ein «Sandwich-Kind» und habe versucht, es meinen älteren, aber auch jüngeren Geschwistern recht zu machen. Ich wollte dazugehören. Das hat, nicht zuletzt durch meine Krankheit, aufgehört. Aber ja, Kathy und ich haben früh die Mutterrolle übernommen. So habe ich mit 13 angefangen, Vollzeit zu arbeiten, und über sieben, acht Jahre für zehn Personen eingekauft und jeden Tag die Hauptmahlzeit gekocht – und dann noch auf
der Strasse gesungen. Das kann man sich nicht vorstellen.
Haben Sie wegen dieser Erfahrung Ihren beiden Söhnen die Hausarbeit erspart?
Nein. Ich habe immer zu meinem Mann gesagt, dass wir unsere Kinder über alles lieben, aber nicht verwöhnen werden. Ich wollte früh, dass sie Pfadfinder werden. Bei uns gibt es keine Prinzen, sondern bodenständige Kinder. Sie können beide für sich kochen, ihre Wäsche machen und putzen.
Ihnen selbst war die Lust am Kochen danach für ein paar Jahre vergangen.
Es war wirklich sehr schwierig, weil diese Menge, die ich jeden Tag zubereiten musste, enorm war. Als ich Denis kennengelernt habe, hat zum ersten Mal jemand für mich gekocht. Das habe ich sehr genossen. In den vergangenen zehn Jahren habe ich die Freude am Kochen wiederentdeckt und gemerkt, welchen Schatz ich mir da angeeignet habe.
Inwiefern?
Wir sind ständig gereist, und so habe ich verschiedene klassische Rezepte aus all diesen Ländern gelernt. Mein Vater war ein Gourmand und hat mir alles beigebracht, wir waren «partners in crime». Nun habe ich ein Kochbuch geschrieben, damit diese mündlich überlieferten Rezepte nicht verloren gehen und die nächste Generation, vor allem meine Kinder, sie hat. Es gibt ja mittlerweile 27 Kellys in dritter Generation (lacht)