«Meine Frau musste mich mit den Royals teilen»

Seine Kochkarriere startete mit Kutteln, später begeisterte er mit seinem Risotto die englische Königsfamilie. Mit 78 Jahren haben er und seine Frau sich am Genfersee niedergelassen. Ruhestand ist keiner in Sicht.

Von Andrea Butorin

Gerade als Anton Mosimann (78) über seine Zeit in London erzählt, kommt jemand und flüstert ihm ins Ohr: «Es sind Besucher aus Indo­nesien da, die gern ein Foto mit ihnen machen würden.» Diese Szene spielt sich in seinem Museum «The Mosimann Collection» ab und ist Alltag im neuen Leben des Schweizer Spitzenkochs, der praktisch auf der ganzen Welt gearbeitet und Royals, Staatsoberhäupter sowie Show- oder Sportstars bekocht hat. 

Anton Mosimann und Ehefrau Kathrin (81) wohnen seit dem letzten Jahr wieder offiziell in der Schweiz, genauer in ­Montreux VD. Nach 50 Jahren in London ist das Paar dabei, sich dort ein neues Zuhause zu schaffen. In der britischen Hauptstadt war Mosimann erst Chefkoch im Dorchester Hotel, ehe er 1988 sein ­eigenes Clubrestaurant, «Mosimann’s», eröffnete. Unterdessen hat er das Unternehmen in die Hände seiner ­Söhne Mark (48) und Phi­lipp (50) übergeben. «Jede Generation hat ihre eigenen Ideen, deshalb wollte ich einen klaren Schnitt und entschied, in die Schweiz zurück­zukehren», sagt er. «Ich wollte im Club nicht zu hören bekommen, dass es nicht mehr das Gleiche sei wie früher.»

Jahrzehntelang lebte Anton Mosimann vor allem für seine Arbeit. Führt er nun ein ruhiges Rentnerleben? Weit gefehlt. An drei bis vier Tagen pro Woche fährt er auf die andere Seeseite, nach Le Bouveret VS, wo unweit der Grenze zu Frankreich sein Museum über dem Genfersee thront.

Hier hortet der Starkoch all seine Schätze wie die Sammlungen wertvoller Koch­bücher oder Küchenutensilien, aber vor allem Erinnerungen an seine Karriere. 50 Goldmedaillen, Diplome, Dankes­briefe und viele Fotos, die ihn mit all den Berühmtheiten zeigen, die er je bekocht hat, etwa Joe Biden (82), Muhammad Ali (1942–2016) oder ­Elizabeth Taylor (1932–2011).

Kate wollte mehr Würze

Ein besonders enges Verhältnis pflegte er zu den britischen Royals, denen im ­Mu­seum ein eigener Raum gewidmet ist. Vier Generationen der englischen Königsfamilie durfte er unzählige Male bekochen: Queen Mum (1900–2002), die Mutter der verstorbenen Königin Elisabeth II., pflegte im «Dorchester» einzukehren. Wie Prinzessin Diana (1961–1997) liebte sie sein berühmtes Pilz-Risotto ganz ­besonders. 

Von Königin Elisabeth II. (1926–2022) soll er gar der Lieblingskoch gewesen sein. Ihr servierte der Begründer der Cuisine ­naturelle zur Vorspeise gern geräucherten Lachs und zum Hauptgang ein Stück Lamm mit saisonalem, lokalem Gemüse. 2004 verlieh sie ihm den «Order of the ­British Empire» für seine Verdienste um die britische Gastronomie. Vier Mal ­konnte Mosimann mit der Queen ein persön­liches Gespräch führen. Er sagt: «Wir hatten tolle Diskussionen, die Queen war immer up to date.» 

Von ihrem Sohn, dem heutigen König Charles III. (76), hat Mosimann für seine Arbeit ein selbstgemaltes Bild sowie ­Dutzende handgeschriebener Dankesbriefe erhalten. Ein Höhepunkt war für ihn, als er an der Hochzeit von Prinz ­William und Catherine (beide 43) kochen durfte. «Beim Testessen hatten sie alles ­gelobt, einzig eines der Canapés hätte für Kate etwas schärfer sein dürfen», erzählt er. Der Chef würzte nach, und die Braut war zufrieden. 

Anton Mosimann liebt es, Gäste durch sein Museum zu führen und Anekdoten zum Besten zu geben. Mittags pflegt er gleich gegenüber in der Kantine des «­César Ritz Colleges» einen Salat zu essen. Da werden angehende Köche oder Hotelfachpersonen ausgebildet. Die Nähe zu den Studierenden geniesst er sichtlich: Hier hält er einen Schwatz, da grüsst er eine Gruppe freundlich. 

Samstäglicher Marktbesuch

«Koch ist der beste Beruf der Welt, und es ist mein Ziel, junge Menschen dafür zu motivieren», sagt er. Mosimann wollte nie etwas anderes werden: Die Eltern führten erst im Solothurnischen und ­später in ­Nidau BE ein Restaurant. «Zum Zmittag verköstigten wir ­Arbeiter, Chauffeure und ein paar Lehrer mit einfachen Gerichten wie ­Kutteln oder Kaninchen mit Teig­waren.» Beim samstäglichen Marktbesuch mit dem Vater lernte er, wie frisches ­Gemüse zu riechen hat.

«Ich war immer ein Streber», sagt Anton Mosimann. Nach der Lehre im «Bären» in Twann BE bewarb er sich im «Palace» in Villars VD. Rasch ging seine Karriere bergauf. 23-jährig wurde er an der Weltaus­stellung «Expo 70» im japanischen Osaka zum Küchenchef des Schweizer Pavillons ernannt. Auf dem Hinflug sass die diplomierte Hausbeamtin Kathrin aus Oberuzwil SG auf seinem Platz, die ebenfalls ein Jahr in Osaka vor sich hatte. «Dieser junge Küchenchef in seiner Uniform beeindruckte mich», erzählt seine Ehefrau ­heute schmunzelnd. 

Bald darauf beschlossen sie, gemeinsam nach London zu gehen. Sie müsse wissen, dass sie nach seinem Job immer bloss die Nummer zwei sein werde, sagte Mosimann knallhart. «Meine Frau musste mich mit dem Kochlöffel, aber auch mit all meinen Gästen wie den Royals teilen.» Das habe sie nicht verletzt, ihr sei dies klar gewesen, sagt Kathrin Mosimann. In London kümmerte sie sich primär um die beiden Söhne und sorgte dafür, dass seine Rezepte auch für Hausfrauen nachkochbar sind. 

Beerdigung geplant

Bei besonderen Gelegenheiten schwingt Mosimann den Kochlöffel noch heute. ­Daheim aber kocht mehrheitlich seine Frau. Gehen sie essen, mögen sie es einfach und lokal. «Es darf auch mal ein Wurstsalat sein. Doch mein Lieblings­essen sind Eglifilets meuniére vom ­Bielersee.»

Der eigenen Endlichkeit blickt er gelassen entgegen. «Mit meinem Museum habe ich mir den Traum erfüllt, etwas für die nächste Generation zu hinterlassen.» In seiner akribischen Art hat er schon vor 28 Jahren das «Mise en place» für seine ­eigene Beerdigung angerichtet und ­bestimmt, wer reden, wer singen soll und was aufgetischt wird. «Nun sollte ich ein Update machen, denn es sind nicht mehr alle Leute da, die ich auf der Liste hatte.» Auch das Familiengrab sei bereits organisiert – und bezahlt.

Doch Anton und Kathrin Mosimann sorgen dafür, dass diese Pläne noch lange in der Schublade bleiben. Mehrmals pro Woche gehen sie ins Fitness­studio, regelmässig treffen sie ihre Söhne und die sechs Enkel, die zwischen 2 und 19 Jahren alt sind. Eine Leidenschaft des Paars sind Autorallyes; er fährt, sie liest die Karte. Vor einigen Monaten absol­vierten sie ein Rennen in Indien. Beruflich haben sie fast die ganze Welt bereist. Doch noch gibt es Lücken. «Nächstes Jahr ­ wollen wir endlich einmal nach Costa Rica und an den Panamakanal. Später nach Madagaskar. Dann haben wir wohl alles gesehen», sagt Anton Mosimann.