
Die Ostschweizer Schauspielerin und Tänzerin freut sich riesig auf ihr Engagement vor der herrlichen Kulisse des Thunersees.
Anja Quinter
Sie ist ganz die Mama
Im Musical «Der Glöckner von Notre Dame» verkörpert sie die Mutter von Quasimodo. Sie tritt damit in die Fussstapfen ihrer eigenen Mutter. Denn diese spielte bereits zweimal die Hauptrolle in einem Stück der Thunerseebühne.
Von Andrea Butorin
Noch wird am Thunersee mit Hochdruck geprobt, denn bald schon geht es los: Bei den Thunerseespielen wird in diesem Sommer das Musicaldrama «Der Glöckner von Notre Dame» gezeigt, die Geschichte von Quasimodo, der Mensch werden will, statt ein Monster zu sein. Die 31-jährige Anja Quinter aus Wil SG spielt darin Florika, Quasimodos Mutter. Da sie auch Teil des Ensembles ist, hat sie in diesem Stück sehr viel Bühnenzeit mit vielen Tanzszenen. «Eine besondere Herausforderung ist es jeweils, mich rechtzeitig umzuziehen», sagt sie.
Zu den Thunerseespielen hat Anja Quinter dank ihrer Mutter Monica Quinter (60) eine besondere Beziehung. Diese ist ebenfalls Musicaldarstellerin und spielte 2003 die Hauptrolle in «Evita», dem allerersten Stück, das auf der Thunersee-Bühne vor imposanter Bergkulisse gezeigt wurde. Die ganze Familie Quinter lebte damals einen Sommer lang in Aeschi bei Spiez BE. «Anja lief immer weg, bevor die Szene kam, in der Eva Peron stirbt», erinnert sich Monica Quinter lachend.
«Gigantische Orchestrierung»
Trotz dieses Traumas war Anja Quinter von der Musicalwelt so fasziniert, dass sie nach ihrer Lehre als Köchin eine professionelle Musicalausbildung in Wien absolvierte. Seither spielte sie unter anderem in «Space Dream» in Zürich, 2022 in «Io senza te» bei den Thunerseespielen und im Folgejahr in «Mamma Mia!» bei den Seefestspielen im österreichischen Mörbisch vor allabendlich 6300 Zuschauern. Die letzten anderthalb Jahre war sie bei «Abenteuerland» in Düsseldorf engagiert.
Nun spielt sie beim «Glöckner von Notre Dame» erstmals in einem Drama mit. Die Orchestrierung findet sie «gigantisch» und berührend: «Ich glaube, dass das Publikum schon im ersten Akt weinen muss.» So wie sie, die beim Proben jedes Mal Tränen in den Augen hat, was das Singen zur Herausforderung macht.
Wie einst als Kind lebt Anja Quinter nun einen Sommer lang in Thun. Ein «richtiges» Zuhause hat sie derzeit keins, als Nomadin lebt sie da, wo sie gerade arbeitet. Da es in Deutschland die meisten Jobs gibt, plant sie, sich dort niederzulassen. Sie sagt: «Ich hätte grosse Lust darauf, in Berlin oder Hamburg zu leben.» Ist sie eine Zeit lang ohne Engagement, verzweifelt Anja Quinter nicht: sie hat schon als Barista, Yogalehrerin oder Cycling-Instruktorin in einem Fitnessstudio gejobbt.
Das wollen sie noch spielen
Anders als ihre Tochter absolvierte Monica Quinter keine Musicalausbildung. Ursprünglich wollte sie Opernsängerin werden. Bis ihr jemand sagte, dass sie in der Oper kaum Karriere machen werde, sondern vielmehr eine Musical-Stimme habe. Bis heute gibt es in der Schweiz keine Musical-Schulen, und für die Mutter von damals zwei kleinen Töchtern wäre es nicht in Frage gekommen, dafür ins Ausland zu gehen. Also praktizierte Monica Quinter «learning by doing» und musste vor allem beim Tanzen und Schauspielern noch einiges lernen.
Was gelang. Nach «Evita» kehrte sie 2018 als Donna in «Mamma Mia!» wieder nach Thun zurück: «Das war eine Traumrolle, und ich hatte mir so gewünscht, dass ich sie einmal spielen darf», schwärmt sie. «Mamma Mia!» war Monica Quinters letzter grosser Musical-Auftritt. Dann kam Corona. «Um weiterhin ein Einkommen zu haben, musste ich mich neu organisieren», sagt sie. So wurde sie Gesangslehrerin an der Musikschule. «Ich bin dankbar für diesen Job, kann dadurch aber nicht mehr an Castings gehen.»
Ihre Freude an der Unterhaltung lebt sie mit ihrer Showgruppe Monica Quinter and the Diamonds aus, die Abba-Songs covert. Sie arbeitet in Wil, wo sie sich ihr Traumhaus gebaut hat. Nach der Trennung vom Vater ihrer beiden Töchter ist sie seit sieben Jahren wieder in einer Partnerschaft.
«Meine Träume konnte ich mir erfüllen», bilanziert Monica Quinter. Trotzdem gibt es zwei Musicals, bei denen sie nicht Nein sagen würde, wenn sie die Hauptrolle angeboten bekäme: zum einen «Ewigi Liebi», bei dem sie insgesamt über 450 Mal die ältere Heidi gespielt hat. «Ich hatte so viel Spass dabei!», sagt sie. Zum anderen würde sie gern die ältere, mörderisch veranlagte Diva in «Sunset Boulevard» spielen: «Anja würde mir sofort sagen, falls es dazu irgendwo ein Casting gibt.»
Ihre Tochter Anja Quinter hat noch viele Musical-Träume: «Die beiden Klassiker ‹Les Misérables› und ‹Elisabeth› würde ich gern spielen.» Doch auch neue Stücke, die jüngere Menschen ansprechen, hat sie auf ihrer Wunschliste. Etwa «Heathers», «The Great Gatsby» oder «The Notebook»