Unser Rezept fürs Familienglück

Sie schwimmen mit ihrem Leben gegen den Strom: Mit vier Kindern lebt das Kreativ-Paar nicht nur auf engstem Raum, sondern unterrichtet sie auch selber. Die Solistin und der Showproduzent haben ihren ganz eigenen Weg zum Glück gefunden.

Von Remo Bernet

Langeweile ist für sie ein Fremdwort: «Letzte Nacht habe ich bis drei Uhr Geige geübt», sagt Nina Ulli (43). Sie tritt rund 150 Mal pro Jahr auf – doch das ist bei weitem nicht genug. «Ich habe drei Vollzeitjobs», ­erklärt sie. Im vergangenen Jahr eröffnete sie eine Musikschule in Zürich, ausserdem unterrichtet sie ihre vier Kinder in den eigenen vier Wänden.

Auch sonst sind die Lebensumstände der Familie alles andere als alltäglich: Sie wohnen auf rund 100 Quadratmetern, verteilt auf zwei sogenannte «Tiny Häuser» auf Rädern ­sowie einem Wohnwagen. Ihr Zuhause hat Ehemann ­Dominic Ulli (55) mit viel Herzblut gebaut. «Ich war lange mit dem Zirkus unterwegs, da lernt man, mitanzupacken», erklärt der Showproduzent, der schon für den Europa-Park und die Familie Knie gearbeitet hat.

Kinder sind viel unterwegs

Der Vorteil vom Leben auf ­Rädern: Die Ullis sind flexibel, was ihren Wohnort angeht. ­Aktuell sind sie gerade in ­Gossau im Zürcher Oberland stationiert. Alle paar Monate zieht es sie weiter. «Wichtig ist, dass der neue Ort gut an den öffent­lichen Verkehr an­gebunden ist, damit die Kinder selbständig zu ihren Hobbys kommen», sagt der Vater. Denn auch wenn sie die vier zu ­Hause unterrichten, ist es Nina und Dominic Ulli ein grosses Anliegen, dass ihre Kinder den Kontakt zu Gleichaltrigen haben. Deshalb sind die Nachmittage der Zwillinge Lou (14) und Mimi (14) und deren Geschwister Charlie (12) und Ginger (9) darauf aus­gerichtet, dass sie sich auf ihre Leidenschaften fokussieren können. 

Und der Erfolg gibt ihnen recht: Bei ihren Hobbys ge­hören sie zu den Besten. So hat Charlie gerade am Wo­chen­ende vor dem Treffen mit der GlücksPost wieder einen Wettkampf im Turmspringen gewonnen. Mimi wurde gar schon Weltmeisterin im Stepptanz. «Wir sind sehr stolz auf alle vier», meint das Paar. Jedes der Kinder würde seinen ganz eigenen Weg gehen. «Lou hat beschlossen, dass sie Kontor­sionistin, also Schlangenfrau, werden will. Um das besser zu lernen, wird sie bald länger mit mir in die Mongolei reisen, wo sie an einer Zirkusschule von den Besten lernen kann», erzählt der Vater. Bei der erst neun­jährigen Ginger schlägt das Herz für den Pferdesport.

Musik als Gemeinsamkeit

Alle vier verbindet die Leidenschaft zur Musik. «Jedes Kind lernt zwei Instrumente – die Geige und ein weiteres», sagt die Mutter. Der Spagat zwischen ihrer Rolle als Mami und Lehrerin ist nicht immer einfach. Doch die 43-Jährige betont: «Ich geniesse es wirklich jeden Tag. Es ist nie mühsam, Kinder zu unterrichten.»

Um ihnen das Geigen­spielen näherzubringen, setzt Nina Ulli auf die sogenannte Suzuki-Methode. Die Solistin ist derart begeistert davon, dass sie seit letztem Jahr ihr Wissen an ihrer Musikschule, SwissMusi­Kids, in Zürich weitergibt. Bei der Suzuki-Methode starten die Kinder schon sehr jung mit dem Instrument. Ein wichtiger Teil des Unterrichts nehmen aber auch die Eltern ein, die ihre Kinder zu Hause fördern. «Das hat einen grossen Einfluss auf das Familienleben, und die Kinder werden extrem gut, weil sie viel üben, so etwa nach dem Abendessen.»

Als Lehrerin, Schulleiterin und Solistin hat Nina Ulli viel um die Ohren. «Es braucht ­einiges an Organisation. Aber für etwas, was man so gerne macht, ist es nicht schwer, Dis­ziplin aufzubringen», meint sie. Es sei ihr wichtig, dass nichts zu kurz komme. «Jeder und jede hat die hundertprozentige Aufmerksamkeit verdient», ergänzt die Musikerin.

Kein Verzicht notwendig

Viel Zeit investiert das Ehepaar aber auch in ihr Zuhause auf Rädern. Alles hat auf dem knappen Raum seinen genauen Platz. «Ordnung ist uns sehr wichtig», sagt sie. So verwandelt sich der Esstisch nach dem Frühstück zum Schulpult. «Es fällt mir nichts ein, worauf wir verzichten müssen. Im ­Gegenteil: Wir haben durch dieses bewegbare Zuhause eine riesige Freiheit.»

Doch warum hat sich das Ehepaar, das sich 2007 kennen­lernte, überhaupt für dieses unkonventionelle Leben entschieden? «Als Geigenspielerin ist es schwierig, zu Hause zu üben, wegen der Nachbarn», erklärt sie. Im eigenen Tiny House könne sie machen, was sie wolle. «Dazu kommt, dass wir gerne reisen und ich so näher an Auftrittsorten sein kann.» Im Sommer sei sie zum Beispiel Teil des Rigi-­Festspiels. «Dann werden wir uns dort in der Nähe nieder­lassen.»

Derweil plant der gefragte Showproduzent seine nächsten Aufträge im Ausland. Unter anderem zieht es ihn nach Amerika und Bulgarien. Er betont: «Wir arbeiten viel – oft 80 bis 90 Stunden die Woche. Aber gleich­zeitig haben wir so viele Frei­heiten. Wir finden: Das Leben könnte nicht schöner sein!»