Sportlich zurück in früheren Gefilden

Wieder auf Sendung! Der einstige TV-Moderator ist zurück am Bildschirm mit einer Talkshow, in der er Sportlerinnen und Sportler interviewt. Die Idee entstand nach dem Abschluss seines Lebenswerks.

Das vergangene Jahr war für Patrick Rohr ein ganz besonderes. «Es hat viel mit mir gemacht», verrät der Foto­journalist und Kommunikationsexperte der GlücksPost an seinem neuen, temporären Arbeitsort. Wir sind in Erlenbach ZH, in dem Gebäude, in dem der TV-Kanal MySports seine Studios hat.

Hierher hat es den 52-Jährigen am 12. November verschlagen, um via Livestream einen Kundenanlass zu moderieren. «Nach der Ausstrahlung des Streams kam MySports-Chefredaktor Toby Stüssi zu mir rein und fand, ich hätte so meine eigene Art, auf Menschen zuzugehen. Ob ich nicht Lust hätte, bei ihnen eine Sendung zu machen.» In kürzester Zeit waren Konzept und Sendungsname beisammen: Der ehemalige «Arena»- und «Quer»-Moderator interviewt Sportlerinnen und Sportler in einer Talkshow namens «Mensch, Rohr». Menschen begegnen und ihnen im Gespräch näherkommen ist genau sein Ding und war bis zu seinem Schritt in die Selbständigkeit 2007 sein Markenzeichen beim Schweizer Fernsehen.

Sport war jedoch nie sein Steckenpferd. Zum Glück braucht es das für «Mensch, Rohr» auch nicht zu werden. «Natürlich muss ich mich mit den Sportarten auseinandersetzen. Ich weiss jetzt, dass Eishockey-Spiele drei Halbzeiten haben», erzählt er und lacht. Doch für einmal sollen die Athletinnen und Athleten bei ihm nicht über Resultate und Wettkämpfe sprechen, sondern über sich, ihre Freude und Hoffnungen, ihre Ängste und Nöte. «Hier können sie sich selbst sein und über Dinge reden, die sonst öf­fentlich kein Thema sind.» So hat Bernhard Russi (72) erklärt, warum er sich zum ersten Mal in seinem Leben politisch engagiert. Und Martina Hingis (40) gab ihrer Enttäuschung Ausdruck, als eine der erfolgreichsten Tennisspielerinnen der Welt nicht an die 70-Jahr-Gala der «Swiss Sports Awards» eingeladen worden zu sein.

«Ich hatte überhaupt nicht die Absicht, wieder Fernsehen zu machen», sagt Rohr. «In den letzten Jahren gab es immer wieder Anfragen, aber ich wollte meine Freiheit als Selbständiger nicht auf­geben.» Für die neue Sendung nimmt er eine Staffel à sieben Sendungen innerhalb von zwei Tagen auf – und geht wieder. Entweder in das Büro seiner Kommunikationsfirma in Zürich oder an seinen Wohnort in Amsterdam. Dort lebt er mit seinem Mann Simon Ming (38). Bisher tingelten die beiden zwischen den Niederlanden und der Schweiz hin und her. Doch da das wegen Corona seit bald einem Jahr nicht mehr möglich ist, haben sie ihre Wohnung in Zürich auf­gegeben. Ihre Beziehung wurde aus dem gleichen Grund auf eine harte Probe gestellt: «Simon macht seit über zwei Jahren von Tokio aus die Kommunikation für ‹Ärzte ohne Grenzen› im südostasiatischen Raum. Dafür musste er viel reisen. Nun sitzt er in der japanischen Hauptstadt fest. Und weil das Land seit der Pandemie keine Ausländer mehr reinlässt, können wir uns nur sehr selten sehen.»

Doch zu vielen Treffen wäre es wohl sowieso nicht gekommen: Bis vor dem Gespräch mit Stüssi war Patrick Rohr damit beschäftigt, sein Lebensprojekt, wie er es nennt, fertigzustellen: Das Buch «Die neue Seidenstrasse – Chinas Weg zur Weltmacht» (Orell Füssli). Darin beschreibt er das Vor­haben, an dem das Land der Mitte seit längerer Zeit arbeitet: ein gigantisches Infrastrukturprojekt mit Handelsrouten durch 70 Länder. Der Plan faszinierte den Autor, er wollte mehr darüber erfahren: «Es ist verrückt, wie viel Geld China dafür investiert. Die neue Seidenstrasse soll Länder miteinander verbinden, die untereinander Krieg führen und politisch, kulturell, konfessionell grundverschieden sind.» Ihn interessierte, was das für Länder sind, wie ihre Einwohnerinnen und Einwohner denken, und dafür reiste er mit seiner Fotokamera von China nach Europa.

«Vor allem Europa ist sich nicht bewusst, welche Macht China damit in die Hände bekommt, und dass es über den Handel seine Werte und Ideologien in der ganzen Welt verbreiten kann. Ausserdem gibt China vielen Ländern grosse Kredite für die Infrastrukturprojekte, was diese in eine starke Abhängigkeit bringt.»

Rohr wollte zwölf Länder der neuen Seidenstrasse besuchen, wegen der Einschränkungen durch Corona wurden es am Ende nur sechs. «Dafür konnte ich mehr in die Tiefe gehen.» Sein Fazit: «Es ist beeindruckend und beängstigend. Ich denke, wir müssen uns warm anziehen.»