Hilflos – oder etwa nicht?

Leicht ist das Leben für Rehkitze sicherlich nicht. Oft sind es aber gut gemeinte Rettungsaktionen, die sie das Leben kosten.

Bald ist es so weit: In den kommenden Wochen werden zahlreiche Rehkitze das Licht der Welt erblicken. So zart, so süss, so hilflos: Die «Bambis» wecken den Beschützerinstinkt eines jeden Tierfreundes. Leider wird ihnen genau das oft zum Verhängnis, wie sich die letzten Jahre zeigte: Wenn die Kleinen ganz alleine in einer Wiese liegen, fühlen sich Menschen verpflichtet, ihnen zu helfen. «Wir hatten Fälle, bei denen Passanten sie zum Tierarzt brachten», erzählt Gabriel Sutter vom Amt für Wald beider Basel. «Das ist verständlich, jedoch falsch ausgelebte Tierliebe. Denn damit beginnt für die Rehkitze eine Odyssee mit ungewisser Zukunft.» Verwaiste Tiere müssten artgerecht aufgezogen werden, mit dem Ziel, sie wieder auszuwildern, doch es gebe nur wenige geeignete Plätze. Im schlimmsten Fall müsse man die Kitze töten.

So stirbt das Kleine, obwohl es meist überhaupt keiner «Rettung»  bedurft hätte. Es ist normal, dass Ricken nur sporadisch zu ihren Jungtieren zurückkommen, um sie zu pflegen und zu säugen. Im hohen Gras – manchmal eben auch in der Nähe von Spazierwegen – sind sie gut getarnt und vor Feinden wie Rotfuchs und Adler geschützt, zumal sie kaum Eigengeruch haben und daher schlecht zu wittern sind. Fasst ein Mensch ein Rehkitz an, nimmt es dessen Geruch an, und es kann sein, dass die Mutter es danach verstösst.

Natürlich ist es möglich, dass ein Jungtier tatsächlich verwaist ist, aber selbst dann gehört es nicht eigenmächtig abtransportiert. Sutter: «Wer ein vermeintlich hilfsbedürftiges Tier findet, sollte sich immer an den Jagdaufseher oder Wildhüter wenden: Er kann die Lage einschätzen und weiss, was zu tun ist.»

Nicht ungerechtfertigt ist die Sorge, dass die Kleinen beim Mähen der Wiesen zu Tode kommen. «Wir können das Rad der Zeit nicht bis zur Sense zurückdrehen, deshalb ist dieses Szenario nicht zu 100 Prozent zu vermeiden», sagt Sutter. «Viele Jungtiere können aber dadurch gerettet werden, dass die Bauern mit den Wildhütern in Kontakt stehen und sie informieren, wenn gemäht wird.»

Ja, leicht haben es Rehkitze sicherlich nicht. Umso wichtiger, dass tierliebe Menschen ihnen auf die richtige Art und Weise helfen – wenn es denn nötig ist.