«Unser Zuhause ist hier in Brigels»

Für seinen Job bei «Schweiz aktuell» haben er und seine Familie ihr Leben umstellen müssen. Obwohl sein neuer Arbeitsort jetzt Zürich ist, bleiben die Bündner Berge die Heimat für den Rätoromanen.

Jeden Tag fährt Otmar Seiler (47) knapp zwei Stunden von Chur zum Schweizer Fernsehen in Zürich-Oerlikon. Und abends zurück. «Anfangs hatte ich eine kleine Wohnung nahe des Fernsehstudios und wollte unter der Woche in Zürich bleiben, aber das war nicht gut.» In Oerlikon war Otmar vom Geschehen der Stadt abgeschnitten. Und seine Familie sah er nur am Wochenende.

Jetzt hat Otmar eine Wohnung in Chur. Dort trifft sich die Familie abends. Der «Schweiz aktuell»-Moderator kommt aus Zürich, seine Frau Daniela (45) arbeitet bei der Berufsbeistandschaft in Ilanz, Sohn Nicolai (18) macht die Lehre als Sportartikelverkäufer, ebenfalls in Ilanz, Sohn Sascha (21) ist Schreiner und absolviert nun ein Praktikum in einem Behindertenheim in Scharans. Das vom gelernten Hochbauzeichner und Baubiologen Otmar selber entworfene Holzhaus in seinem Heimatort Brigels ist praktisch nur noch ein Wochenendhaus. «Aber es ist immer noch unser Zuhause.» Das sieht man dem Heim an – liebevoll eingerichtet, sorgsam gepflegt, picobello aufgeräumt. Geheizt wird mit einem Holz-Lehmofen. Das Holz dafür holt Otmar selbst aus dem Wald.

Die Surselva ist Otmars Welt: Seine Familie lebt seit Generationen in Brigels. Er ist fast der Einzige aus seiner Klasse, der im Dorf blieb. Auch Daniela ist von hier. In Otmars Elternhaus wohnt heute sein Vater Venanzi (79); Otmars Opa hatte hier einst seine Schreinerei. Alle sprechen Rätoromanisch untereinander. Wer herzieht, lernt es. Wie Otmars Schwägerin, die mit Danielas Bruder und ihren drei Kindern auf einem Bauernhof am Ortsrand lebt.

Die beiden Söhne von Otmar und Daniela geniessen die Bergwelt wie die Eltern. Es zieht sie nicht ins Unterland, und momentan sieht es so aus, als möchten sie noch eine Weile zu Hause wohnen bleiben. So leben Otmar und Daniela in einem Übergangszustand. «Wir können uns sehr gut vorstellen, später in eine Stadt wie Zürich zu ziehen. Aber so lange unsere Kinder noch nicht auf eigenen Beinen stehen, können wir nicht weg. Jetzt schauen wir, ob sich die Lösung mit der Wohnung in Chur bewährt.» Es ist ja erst vier Monate her, dass Otmar – 17 Jahre Moderator bei Radiotelevisiun Svizra Rumantscha – zum Deutschschweizer TV kam.

Das hat einiges verändert. Vorher Gesicht und Stimme für dieRätoromanen, kennt den sympathischen Bündner jetzt das ganze Land. Weil er sich so für seine neue Stelle engagiert, musste er andernorts abgeben: «Vorher war ich jahrelang in der Dorfmusik, spielte Kornett, Flügelhorn und war eine Weile Präsident.» Für seine Hobbys Mountainbiken und Skifahren bleibt aber immer noch Zeit. Und in ein, zwei Jahren kann das Leben schon wieder ganz anders aussehen. «Wir sind ja noch jung», meint Otmar lachend.