
Ronja starb mit gerade mal 23 Jahren. Sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich, wünschte sich eine Familie und ein eigenes Haus.
Schwester Ronja im Nachtdienst vergiftet
Wegen ihrer Migräne liess sich die Pflegekraft ein Narkosemittel verabreichen. Dann starb sie im Ruheraum. Wie konnte das nur passieren?
Von Torsten Huber
Sie liebte ihren Beruf, ihre Freiheit – und das Leben. Krankenschwester Ronja H. († 23) hatte grosse Pläne, sie wollte eine Familie gründen, ein Haus bauen. Doch in der Nachtschicht, kurz vor Weihnachten 2021, starb sie, einsam, hilflos und unbemerkt im Ruheraum ihrer Station.
Ronja H. wurde vergiftet, mit dem Narkosemittel Propofol. Die Hintergründe des Todes im Krankenhaus Kelheim (Bayern) sind noch immer völlig unklar. Wer verabreichte Ronja wie viel des hochgefährlichen Mittels? Warum bemerkte niemand ihren Todeskampf?
«Fast ein Jahr ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft. Bis jetzt ohne Ergebnis», klagt Ronjas Vater Tobias H. (54). Er fordert: «Ich will endlich Gewissheit haben und erfahren, was in jener Nacht passiert ist.» Fest steht: Ronja H. starb an einer Propofol-Injektion. Ein starkes Narkosemittel. Nur Ärzte dürfen es verabreichen. Eigentlich. Denn ein Arzt kam erst dazu, als Ronja längst tot war. Ihr Vater Tobias H. sagte zur «Bild am Sonntag»: «Meine Tochter bekam wohl während der Arbeit starke Kopfschmerzen. Nicht ungewöhnlich, sie litt unter Migräne. Eine Kollegin legte ihr einen Zugang und injizierte ihr Propofol. Es kam zum Atemstillstand.»
Die tödliche Injektion muss Ronja zwischen Mitternacht und 1.30 Uhr bekommen haben. Erst um 6.30 Uhr wurde sie im Ruheraum gefunden. Ihr Vater: «Da hatte bereits die Leichenstarre eingesetzt.»
Ein Gedanke lässt Tobias H. nicht mehr los: «Als man meine Tochter fand, lag sie am Boden. Sie war bereits seit fünf Stunden tot. Warum hat niemand nach ihr geschaut? Laut meinen Anwälten ist bei Propofol eine durchgehende Überwachungspflicht strengstens vorgeschrieben!» Ronjas Tod wirft viele Fragen auf. Warum lag die Krankenschwester am Boden? Konnte sie trotz des starken Medikaments noch aufstehen? Wollte sie den Ruheraum verlassen, um Hilfe zu holen? Tobias H. beauftragte Ulrike Böhm-Rössler (35), Fachanwältin für Medizinrecht, mit dem Fall. «Die Beweislage ist ziemlich schwierig», sagt sie. «Wir müssen jetzt das toxikologische Gutachten prüfen und abklären, welche Stoffe Ronja im Blut hatte.»
Seltsam: In der Krankenhaus-Dokumentation zur fraglichen Nacht steht nichts über die todbringende Injektion. Dabei müsste penibel festgehalten werden, wer das Medikament entnommen hat und wann. Die Staatsanwaltschaft Regensburg bestätigt die Ermittlungen: «Nach Aktenlage bat die Verstorbene ihre Kollegin, ihr einen Zugang zu legen, damit die Verstorbene sich selbst Medikamente zuführen könne, sie wollte sich in einem Ruheraum ausruhen.» Ronjas Vater: «Eine Schutzbehauptung von Ronjas Kollegin!»
Auch mehr als ein Jahr nach dem Tod seiner Tochter hat Tobias H. den Schicksalsschlag noch nicht verarbeitet: «Ronja hatte gerade erst einen Bauplatz für ein Haus beantragt, wollte eine Familie gründen.» tDie Baugenehmigung kam drei Tage nach Ronjas Tod.