«Mein Mann liess mich mit dem Krebs allein»

Claudia Neumann erkrankte mit 28 Jahren schwer. Sie hätte die Unterstützung ihres Gatten gebraucht. Doch der lernte eine andere kennen und liess sie sitzen.

Von Karoline Beyer

Gleich zwei Schicksalsschläge erschütterten das Leben von Claudia Neumann im Jahr 2015. Im Frühjahr erhielt die damals 28-Jährige die Diagnose Darmkrebs im Endstadium. Im Herbst, als die junge Frau aus dem Erzgebirge um ihr Leben rang, wurde sie von ihrem Mann verlassen. «In guten wie in schlechten Tagen» heisst das Eheversprechen. Oft verliert es seine Gültigkeit, wenn einer der Partner schwer erkrankt. Fast immer ist es dann der Mann, der die kranke Partnerin verlässt.

So wie bei Claudia Neumann: 2013 hatte sie ihren drei Jahre älteren Partner online kennengelernt. «Für mich war es Liebe auf den ersten Blick.» Schnell entstanden Zukunftspläne. «Wir spürten, dass wir eine Familie mit Kindern gründen wollten», erzählt die Aussendienstmitarbeiterin. Im Herbst 2014 kauften sie ein Haus, auch ein kleiner Hund zog ein. Dann litt Claudia Neumann plötzlich unter Beschwerden im Darmbereich.

Darmspiegelung am 23. April 2015: Ein grosser Tumor hatte sich eingenistet. Und dazu auch noch Metastasen! «Die Diagnose war ein Schock. Ich konnte nur noch mit Hilfe von Opiaten schlafen.» Die gelernte Krankenschwester verstand ihre Prognose genau. Sie entschied sich für die kräftezehrende Therapie. Und mit dem Tod vor Augen für die Ehe. «Natürlich war die Hochzeit auch wichtig, um erbrechtlich alles zu regeln, wenn ich sterbe. Dennoch: Für mich war es die grosse Liebe.» Sie heirateten am 21. August 2015. «Nur wir zwei. Für eine Zeremonie mit Gästen war ich körperlich zu schwach.» Zwei Stunden nach der Trauung musste Claudia Neumann in die Klinik – Notoperation. «Das war unsere Hochzeitsnacht.»

Es folgten schwere Zeiten: «Wir fragten uns natürlich, was mit unserem Traum passiert. Es drehte sich alles nur noch um meine Krankheit.» Zu viel für ihren Mann. «Beim Gassigehen lernte er eine andere Frau kennen, begann eine Affäre. Drei Monate nach unserer Hochzeit war unsere Ehe am Ende. Mein Mann ist ganz egoistisch einfach aus der Situation ausgebrochen. Er hat mich abgegeben wie ein kaputtes Spielzeug.»

Aus der Wissenschaft ist bekannt: Bei einer Krebs-Erkrankung erhöht eine gute Beziehung die Überlebenschancen, eine Trennung bewirkt das Gegenteil. In einer Studie im Fachjournal «Cancer» lebten von verheirateten Krebspatienten nach zehn Jahren noch 57,5 Prozent. Bei früh in der Erkrankung Getrennten waren es nur 36,8 Prozent.

Doch Claudia Neumann wurde wieder gesund. Nach elf OPs, zwei Chemotherapien und 32 Bestrahlungen war der Krebs weg. «Wenn ich nicht gerade mit Überleben beschäftigt war, gab es genug, was mich ablenkte. Ich habe das Haus verkauft, die Scheidung eingereicht, wollte privat alles wieder auf null setzen. Auch Fotos von meinem Ex gibt es nicht mehr.»

Bedingungslos fingen sie in dieser Zeit ihre Eltern und ihr Bruder auf. Heute hat sie einen neuen Partner, muss nur noch alle drei Jahre zur Kontrolle. «Ich habe einen sehr gefestigten, starken Charakter und lasse mich nicht mehr von Zielen abbringen.» Ihrem Unglücksjahr kann sie inzwischen Positives abgewinnen «Man stelle sich vor, ich hätte mit diesem Mann wirklich Kinder grossgezogen. Welche Werte hätte er ihnen vermitteln können? Es ist nun alles gut so, wie es gekommen ist.»