Sonja Nef

«Ich glaube an eine höhere Macht»

Ob am Christbaum oder im Trophäenschrank: Zu Hause bei der Schweizer Skilegende Sonja Nef hat es Kugeln, so weit das Auge reicht. Doch läuft wirklich alles (kugel)rund? Kurz vor Weihnachten sinniert die Appenzellerin über Gott, Ängste und verrät, was Glück für sie bedeutet.

Thomas Wälti

EX SKIRENNFAHRERIN SONJA NEF
Adventsstimmung: Skistar Sonja Nef dekoriert das eigene Zuhause festlich. URS BUCHER

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Sonja Nef (53) sorgt für Adventsstimmung. Zu Hause in ihrem Einfamilienhaus in Mörschwil SG mit Blick auf den Bodensee drapiert die Schweizer Skilegende eine Girlande mit roten Christbaumkugeln, künstlichen Tannenzweigen und einer Samtschleife um das Treppengeländer. «Für den Weihnachtsstress bin ich selbst verantwortlich. Ich habe es einmal mehr nicht geschafft, alle Geschenke rechtzeitig einzukaufen. Das wollte ich bis Ende November nämlich tun», sagt die gebür­tige Appenzellerin aus Grub AR und lacht herzhaft. Sie füllt für ihre drei Kinder Sophia (19), Anna (17) und Julian (12) auch heuer wieder ­einen Stoff­säckchen-­Advents­kalender. An den ­ungeraden Tagen des Monats bekommt der Bub ein Geschenk, an den geraden Tagen die beiden Teenager. Herzig!
Die bevorstehenden Festtage wecken bei Sonja Nef schöne Kindheitserinnerungen: «Ich weiss noch gut, wie meine Schwester, mein Bruder und ich nach dem Abendessen das Pyjama anzogen, ein Glas Rimuss tranken und in der Stube unter dem geschmückten Weihnachtsbaum ein Konzert gaben. Ich spielte Blockflöte.» Diese Tradition haben Sonja Nef und ihr Ehemann Hans Flatscher (57), Alpin-­Direktor von Swiss-Ski, ihren Kindern ­weitergegeben. «Schade, ist diese Zeit nun vorbei. Früher spielte Sophia Klavier, Anna Ukulele und Julian Schlagzeug. Jetzt hören wir ‹Jingle Bells› halt über Playlist.»
An Weihnachten gibt’s den Klassiker Fondue Bourguignonne. «Meine Knoblauchsauce findet jedes Mal grossen ­Anklang! Die darf nicht fehlen», betont die Riesenslalom-Weltmeisterin von 2001. Vor dem Festschmaus besucht Sonja Nef mit ihren Liebsten einen Kindergottesdienst, anschliessend schaut die Familie wie alle Jahre den Film «Aschenputtel».

Sie glaubt nicht an Gott

Sonja Nef ist keine Kirchgängerin. «Ich glaube nicht an Gott, aber an eine höhere Macht», sagt die Olympia-Dritte im Riesenslalom von 2002. «Wenn es mir nicht so gut geht, bete ich und ­bitte diese höhere Macht, einzugreifen, und zum Beispiel für die Gesundheit meiner Kinder zu sorgen. Um mich auf das Wesentliche zu besinnen, muss ich nicht in eine Kirche gehen», sagt Sonja Nef. ­Innere Ruhe finde sie auch an zwei Kraftorten: auf einem Bänkchen am Waldrand in der Nähe des Bauernhofes ihrer Grosseltern in Grub AR und in der Kapelle Maria Lourdes im Rossbüchel in Grub SG. In den beiden Nachbargemeinden mit dem gleichen Namen habe sie während ihrer Skikarriere trainiert.
«Vor der Ski-WM 2001 in St. Anton (Ö) und den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City (USA) habe ich in der Kapelle jeweils eine Kerze angezündet. Das mache ich heute noch, wenn ich mir etwas ganz fest wünsche», sagt sie. Inzwischen ist ein dritter Kraftort dazugekommen: «Nach meinem Rücktritt 2006 hat mir die Heimatgemeinde ein Bänkli samt Würdigung meiner Er­folge gewidmet. Es befindet sich auf der Skipiste Grub-Kaien, wo ich die ersten Schwünge gezogen habe.»

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Angst vor Krebs

Was macht Sonja Nef glücklich? «Wenn meine Liebsten gesund und zufrieden nach Hause kommen, ist das so erfüllend. Ich geniesse die kostbare Zeit mit der ­Familie bewusst und bin dankbar dafür. Sie ist nicht selbstverständlich», antwortet die Gewinnerin von 15 Weltcuprennen. Angst verspüre sie, wenn sie an eine mögliche schwere Krankheit im nahen Umfeld denke. «Krebs macht mir Angst», sagt sie. Aber sie wisse, dass das Leben kein Wunschkonzert sei. Die Schweizer Sportlerin des Jahres 2001 hat ihren Vater Willi nach langem Kampf gegen den Krebs 2017 im Alter von 73 Jahren verloren. Ihre ­Mutter Frieda (77) erkrankte ebenfalls an Krebs, ist inzwischen aber geheilt.
Wieder hält Sonja Nef vorsichtig zwei Kugeln in der Hand. Dieses Mal nicht rote für die Girlande um das Treppengeländer, sondern zwei aus Kristall. Sie erinnern an den Gewinn der Riesenslalom-­Disziplinenwertung 2001 und 2002. Die Augen des skisportbegeisterten GlücksPost-Autors leuchten, als er einen Blick in den Trophäenschrank wirft. Die Kollek­tion ist eindrücklich: Auf den Tablaren ­ziehen Pokale, Medaillen, Fotos und die Auszeichnung für die Schweizer Sport­lerin des Jahres die Aufmerksamkeit auf sich. Ein Exponat springt dem Betrachter besonders ins Auge – eine Loki mit ihrem Konterfei. «Gelegentlich halte ich vor dem Schrank inne. Dann wird mir bewusst, wie schwierig es war, all diese Erfolge trotz meiner sieben Knieoperationen herauszufahren. Das macht mich u stolz!»

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Seit ihrem Karriereende hat Sonja Nef endlich Zeit für sich selbst. «Skirennsport ist Stress pur, jede Erkältung verheerend. Ein Leben ohne Leistungsdruck erachte ich als grosses Privileg. Heute nehme ich mir die Freiheit heraus zu bestimmen, worauf ich Lust habe und was ich nicht machen will», sagt die 1,64 ­Meter grosse Hausfrau. Seit diesem Sommer muss Sonja Nef ihre talentierten Töchter nicht mehr ins Training fahren. Sophia und Anna, die den Nachnamen des Vaters tragen, figurieren im C-Kader von Swiss-Ski und profitieren von verbesserten Bedingungen.

Auszeit beim Wandern

Wenn sich Sonja Nef bewusst eine Auszeit nimmt, geht sie etwa auf eine vier­stündige Wanderung in den Alpstein oder steigt aufs Mountainbike. «Ich kann mich gut mit mir selbst beschäf­tigen. Aber ich geniesse auch mal einen Sauna-Nachmittag mit meinem Mann, wenn er zu Hause ist.» Im Winter erhält Sonja Nef regelmässig Einladungen für Erlebnis-­Events auf der Piste oder fährt gemein­sam mit ihrer Schwester in Flumser­berg SG Ski. Und im Sommer tritt sie bei Kundenanlässen als Referentin auf. «Mir wird nicht langweilig. Gegenwärtig lerne ich in einem Online-Workshop alles zum Thema Ernährung, verbessere mein Englisch und halte das Haus sauber», sagt sie. Wenn sie heute nochmals jung und nicht Skirennfahrerin wäre, würde sie eine Ausbildung als Krankenschwester oder Hebamme machen.

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Sonja Nef und der Österreicher Hans Flatscher sind seit 1994 zusammen, vor 14 Jahren haben sie geheiratet. Das Geheimnis ihrer lang anhaltenden Verbundenheit? «Wir sind ein starkes Team, ticken gleich und vertreten ­dieselben Werte. Wir spielen uns nie gegeneinander aus. Unsere Beziehung ist lebendig, der Alltag spannend statt eintönig. Wir müssen flexibel sein, da Hans viel im Weltcup-Zirkus unterwegs ist. Und ja: Wir ­wollen zusammen gesund alt werden», sagt Sonja Nef. Das Paar hat einen gemeinsamen Traum: «Wir möchten nach Australien reisen und im Great Barrier Reef tauchen.» Auch «Christmas Shopping» in New York mit der Familie stehe ganz oben auf der Wunschliste.
Die nächsten Kugeln warten schon auf Sonja Nef.

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