Ritschi

«Ich liebe es, zu kochen.Das ist wie komponieren»

Beim Pizzabacken spricht Ritschi über sein neues Album sowie über seine Karriere voller Höhen und Tiefen und verrät, wie er die Midlife-Crisis überwunden hat.

Andrea Butorin

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Den schicken Pizzaofen hat Ritschi von seiner Frau Andrea ­geschenkt bekommen. Der Berner Oberländer Sänger liebt es, damit seine Familie und Freunde zu beglücken. Siggi Bucher

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Ganz ehrlich: Es ist vermutlich die beste Pizza, welche die GlücksPost-Reporterin je gegessen hat. Der ­Berner Oberländer Sänger Ritschi (46) hat in seine Pergola zum Pizza-Plausch ein­geladen, um über sein neues Album und über sein Leben zu sprechen. «Ich liebe es, zu kochen. Das ist wie komponieren», sagt er. Diese Leidenschaft kann er ausgiebig ausleben, denn er bereitet jeden Tag das Mittagessen für seine beiden schulpflichtigen Kinder Neo und Mila zu.
Wie in seinem Garten zu sehen ist, hat Ritschi noch andere patente Leidenschaften: Die stilvoll eingerichtete Pergola hat er diesen Sommer selber gebaut. Und das Baugerüst rund um das Einfamilienhaus zeugt von der Solaranlage, die der ­gelernte Schreiner kürzlich selbst auf das Dach montiert hat.
Das Haus steht in einem Einfamilienhaus-Quartier in Unterseen, das von Interlaken BE durch die Aare getrennt wird. In Interlaken ist Andreas Ritschard, wie ­Ritschi mit vollem Namen heisst, aufgewachsen. «Wir leben hier, weil meine Frau Andrea und ich hier vor 16 Jahren ein Haus kaufen konnten», sagt er. Die sportliche ­Familie fühlt sich wohl in Unterseen und geniesst die Nähe zu den Bergen und den beiden Seen. Alle lieben es, zu biken, Ski zu fahren, zu wandern oder zu schwimmen.
An der selben Strasse konnte Ritschi ein weiteres altes Haus erwerben, das er vor zwei Jahren aus- und umgebaut hat. «Das ist meine Altersvorsorge und hat enorm viel Druck von mir genommen», sagt er.

Nicht mehr der «heisseste Hecht»

Von Ritschis Garten aus ist die 4158 Meter hohe Jungfrau zu sehen. Etwa in dieser Liga spielte er einst als Musiker. «Ich war ein Popstar und habe mit der Band Plüsch Musikgeschichte geschrieben», sagt er. Den Text zum Überflieger-Song «Heimweh» schrieb er als 20-Jähriger auf der Schreiner-Lehrabschluss-Reise. «Heute singen meine Kinder dieses Lied in der Schule.»
In seiner Karriere musste er auch lernen, loszu­lassen. Zwar gab es letztes Jahr eine Revival-Tour von Plüsch, doch abgesehen davon ist die Band seit 2013 nicht mehr aktiv. ­Seine Solo-­Karriere startete Ritschi bereits 2009. Auch alleine feiert er Erfolge, etwa mit dem Lied «Schisstäg», mit mehreren Nummer-1-Alben oder als Musicaldar­steller bei den Thunerseespielen.
«Am Anfang haderte ich schon damit, nicht mehr der heisseste Hecht im Teich zu sein», sagt er. Sein Album «Patina» von 2019 wurde zum Soundtrack seiner Midlife-­Krise. Diese sei mittlerweile überwunden. «Meine Familie und mein Umfeld haben mir da sehr geholfen.» Er habe auch an sich gearbeitet und gelernt, viel mehr im Moment zu leben und zu schätzen, was er hat: «Schaut man sich um, stellt man fest, dass es allein schon ein grosses Glück ist, in der Schweiz leben zu dürfen.»

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Familie war wichtiger

Gearbeitet hat er auch musikalisch: Im Herbst ist mit «Lieblingslieder» sein sechstes Album erschienen. Unter den neuen Songs hat Ritschi zwei besondere Lieblingslieder: «Die letschte Mal» und «Achterbahn». In Ersterem besingt er das nos­talgische Gefühl, wenn er feststellt, dass bestimmte Momente mit seinen ­Kindern, etwa Hand in Hand zusammen in der Stadt zu spazieren, nicht mehr wieder­kehren werden. Die letzten Male nimmt man kaum je so bewusst wahr wie die ersten, weiss Ritschi.
Um die gemeinsame Zeit möglichst auszu­kosten, ist Ritschi mit seiner Familie in den Herbstferien spontan durch Italien gereist, obwohl da gerade sein Album ­erschienen ist: «Zeit mit der Familie zu verbringen, war mir wichtiger.» Bereits im Frühling hatten sie sich mit einer Reise nach Thailand einen Traum erfüllt.
Ritschi macht sich viele Gedanken – sei es über sein Leben, aber auch über das Musikbusiness. Über seine Erfahrungen mit allen Höhen und Tiefen erzählt er seit neuestem als sogenannter «Keynote Speaker», also bei Referaten, die er beispielsweise vor Geschäftsleuten hält. «Mein Ziel ist es, den Zuhörenden neue Perspektiven zu vermitteln.»

«Vergleichen tut mir nicht gut»

Dabei stelle er fest, dass alle, egal ob Bank-Manager oder Mitarbeitende eines Altersheims, oft dieselben Probleme hätten. «Man vergleicht sich die ganze Zeit mit ­anderen und fühlt sich dabei klein.» Ein Thema, das Ritschi in seinem Lied «Achterbahn» besingt. «Statt mich auf mein Leben zu konzentrieren, vergleiche ich mich mit anderen Leuten. Das tut mir nicht gut. Da bin ich leider nicht besser als die anderen.» Er habe aber seinen Weg gefunden.

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Über seine Zukunftswünsche sagt ­Ritschi: «Ich träume davon, mein ganzes Leben lang Musiker zu bleiben.» Dass er es so weit geschafft habe und als Musiker seine Familie ernähren könne, sei ein enormer Erfolg. Den alten Zeiten, als er musikalisch die höchsten Gipfel erreichte, trauert er nicht nach. Denn: «Ich arbeite an einer Musikkarriere, die nicht so lärmig ist, und fühle mich gerade sehr wohl.» Zum Beispiel aktuell auf seiner «Lieblingslieder»-Tour.
Sorgen bereitet ihm die künstliche Intelligenz. Privat nutze er diese zwar bereits oft: So liess er sich in Italien von der KI erklären, wie er am besten mit dem Camper nach Rom fährt und wo es einen guten Campingplatz gibt. Musikalisch aber sieht er die KI als ­Bedrohung. «Mein Sohn zeigte mir vor kurzem ­einen Song, den er mit KI erstellt hat. Es ist schon sehr beängstigend, was ­bereits alles geht.»
Doch Ritschi will auch in Zukunft auf Selbstgemachtes setzen. Nicht nur beim Pizzabacken und beim Heimwerken, sondern auch bei der Musik.

Ritschis Pizza-Rezept

1 kg Mehl Typo 0 (am besten ­Caputo Nuvola), 7 dl Wasser, 2 g Frischhefe, 30 g Salz
Mehl mit Hefe vermischen und 6 dl Wasser dazu­geben. Kneten, bis alles aufgesogen ist, dann Salz und 1 dl Wasser dazu. Teig luftdicht verschliessen und für 48 Stunden im Kühlschrank aufgehen lassen. ­Belegen nach Geschmack. Ritschis Tipp: «Zuerst kommen Tomatensauce und Käse. Alles andere obendrauf. Am Schluss das Fleisch.»

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