Eigentlich möchte sich Schlagersänger Leonard (61) ganz der besinnlichen Adventsstimmung hingeben: Am 29. und 30. November findet seine alljährliche zweitägige Weihnachts-Gala in einem Hotel in Überlingen (D) statt. Doch nur wenige Tage später erwartet ihn ein höchst unangenehmer Termin: Im österreichischen Dornbirn muss er vor Gericht antraben. Was ist passiert?
Leonard, mit bürgerlichem Namen Carlo Schenker, war unterwegs von seinem Zuhause in der Nähe von Luzern an ein Konzert in Deutschland. Er wählte die Route, die südlich des Bodensees durch Österreich verläuft – was sich als Fehler herausstellen sollte.
«Parkplatz-Abzocke» wird gefördert
«In Dornbirn verpasste ich die Autobahnauffahrt. Nach zirka 200 Metern nutzte ich bei einem Bauernhof die erste Möglichkeit zu wenden», berichtet er. Drei Monate später flatterte ein seltsamer Brief ins Haus: Ein österreichischer Rechtsanwalt beschied Leonard, dass er dieses Areal «trotz deutlicher Kennzeichnung als Privatgrundstück und des Hinweises des Verbotes des Parkens bez. Befahrens» befahren und darauf gewendet habe.
Leonard wurde aufgefordert, die von ihm verursachten Kosten von knapp 350 Euro zu bezahlen. Ansonsten müsse er «ohne weitere Verständigung» mit einer Klage rechnen. Er wunderte sich: «Ich zahle doch nicht einfach irgendjemandem 350 Euro. Vielleicht ist das ja eine Betrugsmasche.» Er googelte den Anwalt und stiess auf zahlreiche negative Online-Bewertungen, da offenbar viele Menschen ähnliche Post von ihm erhalten hatten.
Tatsächlich ist «Besitzstörung» ein Tatbestand, der die österreichische Justiz massiv beschäftigt: Gemäss geltendem Gesetz kann kurzes Parkieren oder – wie im Fall von Leonard sogar blosses Wenden – sehr teuer werden. Österreichische Medien sprechen von «Parkplatz-Abzocke», «Geschäftemacherei» oder «Parkplatz-Fallen».
In der Schweiz hat blosses Wenden gemäss der Rechtsabteilung des Touring Club Schweiz (TCS) noch nie für einen Rechtsstreit gesorgt. Anders das Parkieren auf Privatgrund, insbesondere dann, wenn Fahrzeuge abgeschleppt werden. Wer beispielsweise trotz eines privaten Parkverbots parkiert, muss damit rechnen, eine Umtriebsentschädigung bezahlen zu müssen.
«Wollte Brief schon wegwerfen»
Leonard hatte mehrmals erfolglos versucht, den Anwalt zu kontaktieren. Auch das Schreiben seines Rechtsschutzes blieb ohne Antwort. Seither verging fast ein ganzes Jahr. «Just an dem Tag, an dem ich dachte, dass die Geschichte gegessen ist und ich den Brief aus Österreich wegwerfen wollte, erhielt ich wieder Post», sagt er. Dieses Mal vom Bezirksgericht Dornbirn.
Der Grundstücksbesitzer hatte Klage eingereicht, und Leonard wurde zur Verhandlung eingeladen. Er fürchtet, dass er «wegen einer solchen Lappalie und einem Wendemanöver von wenigen Sekunden» tief ins Portemonnaie greifen muss und sagt: «Ich hatte noch nie mit dem Gesetz zu tun, und die Sache ärgert mich enorm. Ich habe nichts Böses getan und bin dem nun machtlos ausgeliefert.»