Kurt Aeschbacher

«Das Leben ist so wertvoll, weil es nicht ewig dauert»

Weihnachten ganz anders: Der Moderator und ehemalige TV-Talker verbringt die kommenden Festtage mit seinem Lebenspartner unter der Sonne Argentiniens. Vor der Abreise hat sich die GlücksPost mit Kurt Aeschbacher über Kindheitserinnerungen unter dem Christbaum, den Glauben, das Alter und den Tod unterhalten.

Leo Lüthy

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Gib Pfötchen: Kurt ­Aeschbacher in ­seiner ­Büro-­Bibliothek mit Labrador-­Hündin Amélie (8). Stefan Bohrer

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Kein Lichterkranz, keine Kerzen, kein Lametta. Wer die Altbauwohnung von Kurt Aeschbacher (77) im ­Zürcher Kreis 2 betritt, wird nicht von leuchtendem Weihnachtsfirlefanz ge­blendet. Stattdessen ist die ganze Wohnung mit Kunst «dekoriert». Da ein Handtäschchen von Pipilotti Rist, dort ein paar Werke von Ai Weiwei, überall Büsten und Plastiken. Man wähnt sich in einem Museum und trinkt mit dem Gastgeber ­einen Kaffee zwischen all den ­imposanten Werken.
GlücksPost: Herr Aesch­bacher, was macht die ­Adventszeit, was macht Weihnachten mit Ihnen?
Kurt Aesch­bacher: Ich bin kein religiöser Mensch und deshalb sind Weihnachten und die Festtage für mich primär ein ­Anlass, Freundschaften zu pflegen. Dieses Jahr werde ich vom hiesigen Weihnachtsrummel aber wenig mitbekommen: Mein Lebens­partner und ich verbringen die Advents­zeit und die ersten Wochen des neuen Jahres nämlich in Buenos Aires. Ich bin gespannt, wie sich Weihnachten dort, im Hochsommer, anfühlt. Ich freue mich darauf, einige Wochen jeden Tag zur Schule zu gehen und spanische ­Vokabeln zu büffeln. Dies in der Hoffnung, mich danach in dieser tollen Sprache ­etwas geläufiger ausdrücken zu können. Sie sehen, ich schenke mir zu Weih­nachten eine Art Fitnessprogramm fürs Hirn.
Mögen Sie sich an berührende ­Weihnachtsmomente mit Ihren Eltern erinnern?
Das Wichtigste für mich war – solange ich mich zurückerinnern mag –, stets ein reich geschmückter Tannenbaum. Es musste glitzern und glänzen, nach Tannennadeln riechen; möglichst viele Kerzen am Baum und auf dem Esstisch hatten für eine feierliche Stimmung zu sorgen. Da mein Vater passionierter Lottospieler war und sozu­sagen jedes Jahr einen ganzen Hinterschinken gewann, kam die Hamme mit Kartoffelsalat jeweils auch für Bekannte, die allein waren, auf den Tisch.
Was haben Sie sich damals als Kind ­immer gewünscht und nie gekriegt?
Mein Götti schenkte mir zehn Jahre lang jede Weihnacht einen steinharten Leb­kuchen mit ­einem Fünfliber drauf anstatt einem Karl-May-Roman oder wenigstens dem Pestalozzi-Kalender. Ich wünschte mir einen ­schicken Nabholz-Trainer, bekam aber ein ­Pyjama oder einen selbst gestrickten ­Pullover. Auch die Märklin-Eisenbahn wurde nicht nach meinen Träumen mit neuen Zügen und Geleisen erweitert.
Sie sind längst aus der Kirche ­aus­getreten. Was bedeutet Ihnen der ­Glaube heute? Woran halten Sie sich ein bisschen fest?
Manchmal beneide ich Menschen, die an einen Gott – welcher Art auch immer – glauben und daraus eine Zuversicht schöpfen. Wenn ich an etwas glaube, dann an den Zufall, der unser Dasein bestimmt. Den Zufall, wo man geboren ist. Den Zufall, wie unsere Gene zusammengesetzt sind. Den Zufall, in welchem ­Umfeld man geprägt wird. Kein Zufall ist es jedoch, was man aus all diesen Komponenten bewusst und mit den eigenen Entscheidungen macht.

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Sie werden die besinnliche Zeit also unter der Sonne Argentiniens ­geniessen. Was verbindet Sie mit dem südamerikanischen Land?
Vor vielen Jahren drehte ich im Rahmen einer Reihe von Städteporträts fürs ­Fernsehen einen Dokumentarfilm über Buenos Aires und tauchte während der Aufnahmen tief in die Widersprüche ­dieser faszinierenden Stadt ein. Unend­licher Reichtum auf der einen Seite und erschreckende Armut gleich daneben. Ich bin nun gespannt, wie sich die Stadt und Argentinien unter dem neuen Präsidenten Javier Milei verändert hat.
Sie sind noch immer vielbeschäftigter Moderator und Präsentator und auch Herausgeber von «50 plus». Können Sie vielleicht einfach nicht loslassen?
Ich kann gut loslassen, denn ich lebe ­prima und bar jeglicher Entzugserscheinungen ohne die Arbeit am Bildschirm. Hingegen haben mich ein Leben lang neue Aufgaben fasziniert. Neugier betrachte ich als mein wichtigstes Lebens­elixier, das mich stets mit neuen Erkenntnissen beschenkt. Abgesehen von allen Inspira­tionen gibt Arbeit dem Alltag auch eine Struktur. Deshalb sehe ich es als ­Geschenk, unabhängig vom Alter in ­meinem Alltag arbeiten zu dürfen.
Andere in Ihrem Alter haben sich längst aus dem Arbeitsleben ausgeklinkt und reisen oder wandern.

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Ich bin ja auch kein stures Arbeitstier, das die Freuden einer schönen Wanderung oder einer Reise verachtet. Aber ich brauche daneben die Herausforderung, mich immer wieder neuen Aufgaben zu stellen.
Vermissen Sie manchmal, dass Sie selbst keine Familie gegründet ­haben?
Nein, ich lebe ja nicht das Dasein eines Einsiedlers. Zum einen habe ich einen wunderbaren Partner und zum anderen geniesse ich das Zusammensein mit ­unseren Freundinnen und Freunden. Diese ­Erfahrungen sind vielleicht manchmal harmonischer als komplizierte Familienverhältnisse.
Ist alt werden eine Strafe oder ein Glück?
Gesund alt zu werden, ist ein ­grosses Glück. Ein Geschenk, das man aber auch mit seinem Lebens­stil sorgfältig pflegen muss.
Es scheint, dass heute alle ganz alt ­werden, aber nicht alt aussehen wollen. Zumindest jene, die es sich leisten können.
Ich habe, wenn ich mich im Alltag so umschaue, das Gefühl, dass eher die Jungen für ihr Aussehen viel Geld und Zeit ausgeben. Auch ­bezweifle ich Ihre Aussage, dass die ältere Generation am liebsten ganz alt werden will. Die meisten möchten einfach so lange wie möglich gesund und selbstbestimmt älter werden. Dazu gehört, dass man nicht nur auf dem Sofa sitzt und auf den Bildschirm starrt, sondern sich auch bewegt. Also in jedem Alter einigermassen fit zu sein, ist ein ­positiver Beitrag für seine eigene Gesundheit und senkt ­sogar die Gesundheits­kosten der Gesellschaft.

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Befassen Sie sich oft mit dem Tod? In unserem Alter ist man ja viel öfter an Beerdigungen als an Hochzeiten.
Ich befasse mich, seit ich mich erinnern kann, mit der Endlichkeit des Daseins. Unser Leben ist deshalb so wertvoll, weil es nicht ewig dauert. Mich stets daran zu erinnern, lehrt mich Demut. Aber ich gehe ehrlich gesagt kaum an Beerdigungen. An keinem anderen Anlass wird wohl so konsequent gelogen wie an Trauer­feiern. Deshalb verabschiede ich mich lieber auf meine eigene Weise von einer geliebten Person.
Sind Sie Mitglied einer Sterbehilfe­organisation?
Ja. Weil ich mir so die Freiheit nehme, aus dem Leben zu scheiden, wann ich es für richtig finde, und bei einer schweren ­Erkrankung nicht langsam abserbeln muss.
Was wünschen Sie sich noch vom ­Leben?
Vom Leben wünsche ich mir nichts, jedoch von mir wünsche ich mir einiges: dass ich nämlich nicht vergesse, in was für einer privilegierten Situation ich leben darf. Dass ich fähig bleibe, jeden Tag dankbar zu geniessen. Dass ich mich weiterhin voller Neugier den Überraschungen des Lebens stelle. Dass ich Freundschaften aktiv pflege.

Die Lebenstipps von Kurt Aeschbacher

Bewegung
«Bewegen Sie sich jeden Tag: Betrachten Sie Treppen als freundliche Einladung, zu Fuss hochzusteigen. Probieren Sie, jeden Tag 7000 Schritte zu gehen. Und versuchen Sie, zwei Mal in der Woche ­etwas Krafttraining zu machen. Das kann man gut auch zu Hause tun, denn Anleitungen dafür gibt es zuhauf im Internet.»
Ernährung
«Verwöhnen Sie sich täglich mit frischem Gemüse, das Sie selbst zubereiten. Ein Stück Fleisch oder eine Tranche Fisch versorgt Sie mit ­Proteinen, wobei Sie Ihre Muskeln auch mit Proteinpulver (am güns­tigsten aus Molke) erhalten können. Sorgen Sie mit einem Tropfen ­Vitamin B3 täglich und Omega-3-Fett­säuren für ein gesundes Herz, ein gutes Immunsystem und gute Sehkraft. Sorgen Sie hauptsächlich dafür, dass Sie nicht zu viele Kilo mit sich ­herumschleppen.»
Hören und sehen
«Achten Sie unbedingt darauf: Wenn Sie an lauten Tischrunden nicht mehr ­alles mitkriegen, sollten Sie sich eine Hörhilfe anpassen lassen. Denn schlecht hören macht einsam. Das Gleiche gilt auch fürs Sehen.»
Neugierig bleiben
«Pflegen Sie Freundschaften. Gehen Sie in Gesellschaft mit anderen wandern. Lernen Sie eine neue Sprache oder besuchen Sie Veranstaltungen der Volkshochschule. Geniessen Sie ein Konzert oder am ­besten lernen Sie grad selbst ein ­Instrument zu spielen. Das Gehirn ist ein Muskel, den man bewusst trainieren muss. Vergessen Sie nie, dass Einsamkeit Demenz fördert.»

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Persönlich

Kurt Aeschbacher (*1948) hat nach dem Wirtschaftsstudium an der Universität Bern eine grandiose Karriere beim Fernsehen gemacht. Sie begann 1981 und reichte von zahl­reichen Modera­tionen (u. a. «Karussell», «Grell pastell») bis zur eigenen Talkshow «Aeschbacher», die er von 2001 bis 2018 präsentierte. Heute ist er als Moderator, ­Referent, Podcaster, Herausgeber und Unternehmer tätig und war unter anderem der erste Unicef-Botschafter der Schweiz.

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