So kämpfte Carlo Brunner um das Leben seines Freundes

Der Ländler­könig ist am Boden zerstört: Er musste mit ansehen, wie sein bester Freund in einem Spital auf Kuba starb. Der GlücksPost schildert er die dramatischen Stunden.

Sein 62. Geburtstag am 22. April war kein Festtag für Carlo Brunner. Kurz vorher war er aus Kuba zurückgekommen, wo er miterleben musste, wie sein Freund Kurt Zurfluh während einer gemeinsamen Reise starb – in der Notaufnahme des Spitals! Zum Geburtstag hatte Carlo Barbara Schilliger (53) eingeladen, die Partnerin von Kurt Zurfluh. Nicht etwa, um sein Wiegenfest mit ihr zu feiern. Sondern um beim Mittagessen die schmerzlichen letzten Tage gemeinsam zu verarbeiten. Die Trauer schweisste die beiden Freunde noch mehr zusammen: Carlo war der Letzte, der Kurt lebend sah. Nachdem Barbara die Schreckensnachricht erreicht hatte, reiste sie sofort auf die Zuckerinsel. Dort konnte sie ihrem Liebsten aber nur noch auf dem Totenbett adieu sagen.

«Ich war sein lieber Freund», sagt Carlo sichtlich erschüttert von den Ereignissen der letzten Tage zur GlücksPost. «Kurt und ich sind schon so oft zusammen verreist, wir harmonierten als Reisegespann perfekt. Jedes Jahr unternahmen wir eine Flussfahrt mit meiner Ländler-Formation, auf Donau, Seine, Rhone und Rhein. Die letzten zwei Mal hat Kurt die Moderation übernommen. Auch Barbara war stets dabei. Letztes Jahr waren wir zu viert in Thailand – meine Lebenspartnerin Erika, Kurt und Barbara. Kürzlich sagte ich zu Kurt: ‹Kuba fehlt mir noch, da war ich bisher nie.› Als passionierter Zigarrenraucher – Kurt rauchte nicht – wollte ich die Tabakplantagen, die alten Autos und die Häuser im Kolonialstil schon noch sehen, bevor sich dieses faszinierende Land wohl bald verändern wird. Kurt war sofort dabei und organisierte die Reise umgehend. Unsere Frauen blieben daheim, weil sie nicht auf die von uns geplante Kulturreise durch das ursprüngliche Kuba mitkommen mochten. ‹Geht doch alleine und geniesst es›, meinten sie.

Kurt buchte eine schöne Route in einem Oldtimer mit Chauffeur und einem Reiseleiter der deutsch sprach. Es hätte eine Traumreise werden sollen, wir hatten wunderbare Ziele. Doch leider erreichten wir nur die Hälfte. Was folgte, waren vier Tage voller Horror.

Als wir Cienfuegos erreichten, eine Stadt rund 220 Kilometer von Havanna entfernt, fühlte sich Kurt nicht wohl. Er habe Schmerzen in den Beinen, sagte er. Ich lachte noch und sagte, das habe ich schon seit meinem Autounfall vor 30 Jahren. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, kommen mir Sachen über sein im Rückblick doch ungewöhnliches Verhalten in den Sinn. Dass Kurt öfter nicht mitkam, etwa wenn ich etwas näher ansehen wollte. Sein ‹Ich mag jetzt nicht› war für mich nicht aussergewöhnlich. Weil es normal ist, wenn den einen etwas weniger interessiert oder dass einer mal eine Pause braucht. Als wir in Cienfuegos am Meer entlangschlenderten, tat Kurt das Bein dann plötzlich doch recht weh. Er setzte sich auf einen Felsen und kühlte die Beine im Meer. Ich dachte mir nicht viel dabei. Das ist typisch für Männer. Man fragt nicht bei jeder Lappalie: ‹Hast du etwas?› Männer können doch untereinander nie etwas zugeben, wenn es um körperliche Schmerzen geht.

Im Hotel angekommen, setzte sich Kurt völlig geschafft auf eine Bank. ‹Mir ist nicht gut›, stöhnte er, atmete schwer und verdrehte die Augen. Ich holte Wasser, öffnete sein Hemd und rief den Notfall an. Plötzlich schnappte Kurt wie verrückt nach Luft. Mit dem Taxi rasten wir ins Spital. Dort war man schon vorbereitet, wusste durch meinen Notruf, dass wir kommen. Ich schrie: ‹Atme, Kurt, atme und rede mit mir.› Dann begann der absolute Albtraum. Verzweifelt versuchte Kurt, Luft zu holen. Ich spornte ihn weiter an: ‹Gib nicht auf, atme!› Aber leider schaffte er es nicht und starb vor meinen Augen! Ich war völlig verzweifelt. Die Ärzte sagten, Kurt sei an einem Herzversagen gestorben. Die Ursache war eine Thrombose im Bein, die schliesslich eine Lungenembolie auslöste. Da könne man überhaupt nichts machen, hiess es. Jesses Gott, es war grauenhaft! Aber nachher ist man immer klüger, je mehr man darüber nachdenkt. Ja, Kurt hatte in seinen letzten Tagen auf Kuba manchmal gehustet, aber weder ich noch er haben dem eine besondere Beachtung geschenkt.

Mit Kurts Tod brach für mich eine Welt zusammen. Ich sass endlos alleine vor dem Spital und weinte hemmungslos. Auch wusste ich, dass mir das Schwerste noch bevorstand. Ich musste Barbara anrufen. Sie jubelte am Telefon, als sie meine Stimme hörte. ‹Wie geht es euch?›, fragte sie euphorisch. Ich sagte: ‹Liebe Barbara, ich muss dir leider etwas ganz Schlimmes mitteilen. Kurt ist gestorben.› Sie verstand erst nicht. Danach hörte ich sie weinen. In der Schweiz war es nach zehn Uhr abends, sie hatte eben erst gegessen. Dann rief ich meine Partnerin Erika an. Deren Tochter Sandrina und ihr Freund buchten gleich einen Flug für Barbara und Sandrina nach Havanna. Innert 24 Stunden waren die beiden da. Ich war unglaublich froh darüber. Denn zusammen ist eine Trauerverarbeitung viel heilender. Man kann sich gegenseitig trösten.

Natürlich wollte Barbara von Kurt Abschied nehmen und ihn nochmals sehen. Davor mussten wir einige bürokratische Hürden nehmen, denn einen Verstorbenen zu sehen, ist in Kuba nicht so einfach. Das Schweizer Konsulat hat uns ganz toll unterstützt. Kurt sah so friedlich aus, ja, er hatte sogar ein Lachen auf dem Gesicht, wirkte richtig freundlich und zufrieden. Für Barbara und auch für mich war das eine Erlösung. Wir sahen, dass Kurt glücklich gestorben ist. Erikas Tochter Sandrina brachte es auf den Punkt. ‹Kurt starb als Sonnyboy›, sagte sie.

Am nächsten Tag assen wir beim ehemaligen Schweizer Radrennfahrer Fabian Fuchs, der in Havanna ein 16-Punkte-Restaurant eröffnet hatte, zu Abend. Dort waren Kurt und ich schon am Tag unserer Ankunft auf Kuba gewesen. Es tat Barbara gut zu wissen, dass Kurt hier noch vor wenigen Tagen ein feines Essen geniessen konnte.

Kurt wurde in Havanna kremiert. Wegen der Bürokratie könnte es dauern, bis die Asche in der Schweiz ist. Deshalb können wir nicht sagen, wann eine Abdankungsfeier stattfindet. Ob die öffentlich oder privat ist, muss Barbara entscheiden.»