Das Drama vor der Geburt seiner Tochter

Sein Familienglück ist dank einer Schwester für Söhnchen Archie perfekt. Und tröstet ihn zudem über sein Lebenstrauma hinweg, dem er sich nun in den USA auch mit Hilfe eines Gurus stellt – was für gemischte Gefühle sorgt.

Was kann man sich Schöneres wünschen als einen Sohn und eine Tochter!» Das hatte Prinz Harry (36) sichtlich gerührt gesagt, als er im TV-Interview mit Oprah Winfrey preisgab, dass er und Meghan ein Mädchen bekommen werden. Letzten Freitag war es so weit: Die 39-Jährige brachte Lilibet Diana in einem Spital in Santa Barbara nahe ihres Daheims Montecito (USA) zur Welt. Das Baby trägt mit Lilibet den Kosenamen der Urgrossmutter Königin Elizabeth II. (95) und erinnert mit Diana an Harrys Mama. «Lili ist mehr, als wir uns je vorstellen konnten. Wir sind dankbar für die Liebe und die Gebete, die wir aus aller Welt gespürt haben», schreiben Harry und Meghan in einem Statement – ohne Foto ihrer Kleinen.

Wie Harry seinen Sohn Archie (2) bisher vor der Öffentlichkeit beschützt hat, wird er es auch bei Lilibet Diana nicht anders handhaben. So beschützend er sich betreffend seiner Liebsten gibt, so freimütig lässt er selbst Einblicke in sein Innerstes zu. Das hat er zuerst im TV-Interview getan, später noch stärker in einem Podcast sowie eben in der Doku-Reihe «Das Ich, das du nicht siehst». Er offenbarte mit dem noch tieferen Einblick in seine geschundene Seele das grosse Drama, in dem er seit vielen Jahren steckt. Eine Folge der Doku löste dann aber Verwunderung und Sorge aus.

Der Reihe nach: Harry engagiert sich stark für das Thema mentale Gesundheit und liess es sich nicht nehmen, selbst Teil der Doku zu sein. Dabei sprach er über alles, was ihn so lange belastet, u. a. der Tod seiner Mutter. «Als sie mir genommen wurde, wollte ich dieses Leben nicht mehr», sagte er. Ein Trauma mit sehr schwer­wiegenden psychischen Folgen: Er fühlte sich alleingelassen, über den Verlust und dessen Aus­wirkungen wurde nicht gesprochen. «Ich solle einfach weitermachen, irgendwann würde alles schon einfacher, wurde mir gesagt.» Um seine innere Leere zu bekämpfen, griff er zu Alkohol und Drogen. «Ich wollte Dinge machen, die mich das, was ich empfand, vergessen liessen», erzählte er weiter in «Das Ich, das du nicht siehst». Er sei wie gefangen gewesen. «Ich glaubte, dass meine Familie mir helfen würde, aber jedes Mal, wenn ich Hilfe suchte, wurde es mit totalem Stillschweigen ignoriert. Mein Vater meinte zu mir: ‹So war es für mich, so wird es für euch sein.›»

Harry versuchte, damit zu leben und zu funktionieren − bis ein Streit mit Meghan zum Wendepunkt führte. «Ich begann eine Therapie, denn ich realisierte, dass ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetzen muss. Sonst hätte ich Meghan verloren. Ich wusste jedoch, dass ich mit ihr den Rest des Lebens verbringen wollte.» Die Abnabelung begann. «Sich Hilfe zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.» Ihm sei bewusst geworden, dass er in einer Blase gelebt habe. «Der einzige Weg, dich zu befreien und auszubrechen, ist, die Wahrheit zu sagen. Und dich nicht mehr zum Schweigen bringen zu lassen.» Den Absprung zu wagen, sei furchteinflössend gewesen. «Die Kräfte, die gegen uns gerichtet waren, machten es fast unmöglich. Als ich die Entscheidung für meine Familie traf, wurde mir gesagt: ‹Das kannst du nicht tun.› Wie schlimm hätte es noch werden müssen? Meghan wollte ihr Leben beenden. So weit hätte es nicht kommen dürfen.»

In Kalifornien begann er mit ihr und Sohn Archie ein neues Kapitel, beendete die von seiner Familie verursachte «Spirale aus Schmerz und Leid». Und ging einen Schritt weiter, um die Vergangenheit zu verarbeiten. Genau das löst nun gemischte Gefühle aus, denn Harry liess sich auf spirituelle Methoden eines Promi-­Heilers ein, u. a. sollen Filmstar Hilary Swank, Sänger Van Morrison und Talkerin Oprah Winfrey auf die Lehren von Michael Beckwith schwören. Auch Doria Ragland (64), die ihre Tochter Meghan mit ihm in Berührung brachte. Der 65-Jährige, der in Los Angeles ein spirituelles Center betreibt, verspricht mit seinem «Ancestral Healing» (Heilung der Ahnen), die Hilfesuchenden von den Dämonen der Vergangenheit zu befreien. Meditationen und Übungen sollen dies unterstützen. Und mit einer anderen Therapie werden nach einem bestimmten Muster Akupressurpunkte des Körpers abgeklopft und damit Ängste und Leid gelöst. «Dein Potenzial ist unendlich und immer grösser als das Problem, das du durchmachst», sagt Beckwith. Er hat sich als Heiler ein Imperium aufgebaut, hält täglich spirituelle Gottesdienste ab, verkauft Rauchquarz, magische Steine, spirituellen Schmuck und Klangschalen.

Verwunderung herrscht nun etwas darüber, mit welchen Mitteln Harry sein Seelenheil sucht. Zur Sorge Anlass gibt die Frage, wie stark der Guru sein weiteres Leben beeinflusst – seine Gedanken, seine Abrechnung mit der Vergangenheit und dem Königshaus, seine weiteren öffentlichen Verlaut­barungen. Zum jetzigen Zeitpunkt in seinem Leben fühlt sich Harry jedenfalls so wohl wie noch nie. Er sagt: «Ich glaube, dass wir es gut gemacht haben – ich bereue nichts. Ich lebe das Leben, das sich meine Mutter für uns gewünscht hätte.»