Abschalten in den Bergen

Weil der Musiker derzeit viel beschäftigt ist, geniesst er Ausflüge in die Höhe umso mehr – wie jetzt mit seinen Eltern, die dabei ein ­bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.

Dunkle Wolken ziehen über den Säntis, doch die Sonne kämpft um ein Durchkommen. Das verleiht der Szene zwar eine schöne Dramatik, doch Regen käme wirklich ungelegen. «Das wird schon noch besser», versichert Nicolas Senn (29), während es für ihn und seine Eltern mit der Schwebebahn Richtung Gipfel geht.

Der Hackbrettler und Moderator wohnt im Appenzellerland und kennt den Alpstein wie seine Westentasche. «Dieses Jahr war ich leider erst drei Mal z’Berg, letztes Jahr 40 Mal. Dort drüben zum Beispiel habe ich auf einem Mätteli unter freiem Himmel übernachtet», meint er und zeigt auf ein ziemlich kleines Plateau im felsigen Hang. Bei der Erinnerung strahlt er, Vater Norbert (61) sieht aufmerksam hin und Mutter Gabriela (58) mit einer Portion Skepsis. «Manchmal habe ich wegen seiner Berg-Eskapaden schon Angst um ihn – wenn er wieder irgendwo herumklettert oder wie kürzlich fürs TV einen Gleitschirmflug mitmacht», gibt sie zu.

Heute allerdings ist nichts Gefährliches geplant – ein paar Schritte gehen und ein Zmittag im neuen Restaurant. Viel Zeit hat Nicolas in diesen Tagen nicht. Er steckt mitten in den Aufzeichnungen für «Potzmusig Familiesummer». In der Sommerserie besucht er sechs Familien, die Volksmusik seit vielen Generationen leben. Nicolas: «Das extremste Beispiel ist die Familie Alder aus Urnäsch, in der seit 1884 miteinander musiziert wird. Das ist schon beeindruckend.»

Bei den Senns selbst habe Musik zwar nicht so eine grosse Rolle gespielt, die Musikalität aber  komme wohl schon von der Familie – von Grossvater Willi väterlicherseits, der Klarinette spielte. Und von seiner Mutter Gabriela, die einst Klavier lernte und später als Primarlehrerin Gitarre. «Wenn sie ein neues Stück hört und beurteilt, hat das Händ und Füess, bei meinem Vater etwas weniger. Ihm gefällt’s oder nicht», sagt Nicolas und meint schmunzelnd: «Aber druss chunnt er nöd.» Bei seinen Brüdern Damian (28), Luca (26) und Joel (23) sei das musikalische Gehör auch nur teilweise vorhanden. Die jüngeren Senn-Brüder sind dafür Fussball-Talente. Stolz sind die Eltern auf alle gleichermassen. Gabriela: «Wir finden es schön, dass sie alle eine Leidenschaft haben. Die Jüngeren haben wir zu Trainings und Spielen gefahren, Nicolas zu Auftritten.»

Er ist ihnen dankbar für die Unterstützung. Nur dank ihrem Einsatz habe er als Erstklässler überhaupt mit dem Hackbrettspielen anfangen können. Es habe sich schwierig gestaltet, einen Lehrer zu finden – doch die Eltern machten es möglich. Und mit wachsendem Erfolg organisierten sie seine Termine. Kommen sie heute noch an Konzerte? «Wir haben natürlich schon sehr viele gesehen», sagt seine Mutter, «aber besondere Auftritte, wie etwa mit Boogie-Woogie-Pianist Elias Bernet, sind immer noch sehr reizvoll für uns.»

Das war bei den Senns immer schon so: Sie müssen nicht ständig beisammen sein, sind sich aber trotzdem nahe. Seine Eltern seien schon früher ziemlich locker gewesen, sagt Nicolas. «Er en liebe Bueb», kontert seine Mutter, was ihm ein Schmunzeln entlockt. Sein Vater bestätigt es allerdings. Ein kreatives Kind, das immer etwas werkelte und nie beschäftigt werden musste, zumal bei vier Buben sowieso stets jemand zum Spielen da war.
Oder Publikum: Nicolas habe sie früher «genötigt», seiner privaten Stubete im Kinderzimmer beizuwohnen.

Heute trifft sich die Familie in regelmässigen Abständen: in Nicolas’ Elternhaus am Bodensee, bei ihm in Gais, wo er in einem alten Bauern- und Ferienhaus der Familie wohnt, oder einfach mal zum Zmittag. «Nicolas schafft sich, auch wenn er viel zu tun hat, Zeitfenster für die Familie, das finde ich sehr schön», sagt Gabriela, die sein Arbeitspensum hin und wieder etwas gar hoch findet. Aber ihr Sohn hat immerhin schon «Entspannung» eingeplant: «Es juckt mich in den Füssen! Übermorgen, wenn ich frei habe, komme ich nochmals her und mache eine Tour. In den Bergen kann ich am besten abschalten.»